Chat zum Sonntag, No. 25 – Meyer&Meyer


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22.06.2014        11:58 – 15:21 (mit Unterbrechungen)

Santa: Hallo Anna, viele Grüße aus dem Zug nach Paris. Wie war dein Entspannungsurlaub?

Anna: Minimalistisch. Und großartig! Kennst Du Baltrum? Eine wirklich zauberhafte Insel. Ganz ohne Autos, Eile und Zeug.

Santa: Das klingt sehr, sehr gut.

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Fast nackt

Santa: Ich habe richtig Glück mit meinen Geburtstagsgeschenken. Selber hätte ich mir ‘Fast nackt‘ sicher nicht gekauft, aber so habe ich unverhoffte Lektüre, aus der ich mir auch neue Perspektiven erhoffe. Leo Hickman, der Autor, versucht ein Jahr lang ethisch zu leben.

Anna: Ja, da hat eindeutig jemand das Richtige gewählt! Aber ethisch leben?!… Wie definiert er ethisch? Und wie gefällt Dir das Buch?

Santa: Bisher scheint ethisch = nachhaltig zu bedeuten, inklusive sozialer Nachhaltigkeit, also fairtrade, aber auch Investment. Es ist informativ, vor allem die Experteninfos. Seine Schritte kommen mir jedoch nicht sooo drastisch vor.

Anna: Was ändert er denn tatsächlich?

Santa: Naja, er isst mehr bio und versucht, regionaler zu leben und bezieht eine Biokiste im Abo. Man muss dazu sagen, dass das Buch 2005 erschien und er in London lebt. Zu der Zeit hat er eine kleine Tochter und es ist z.B. in seiner Familie ein Riesen-Thema kein Auto zu haben oder keine Fernreisen mehr zu machen.

Anna: Nach dieser Definition sind wir also auch auf dem besten Wege fast nackt zu sein. Oh, oh… Baltrum ist auf jeden Fall eine gute Alternative zu einer Fernreise. Man fühlt sich sehr, sehr weit “draußen“.

Santa: Ja, ich finde auch, dass Nahziele mich mehr entspannen und auch als Familie ist es viel einfacher. Ich verstehe das Argument von Leo Hickman zwar, dass er gerne ein besseres Klima in seinem Urlaubsort hätte, aber das Ende der Welt ist es nicht für mich persönlich, nicht ständig in den Flieger zu steigen. Ich habe allerdings auch einiges hinter mir an Reisen. Außerdem findet er es mit dem Zug teuer, was ja auch im Gegensatz zu Flugpreisen oft stimmt.

Anna: Ja, eindeutig ein Fehler im System.

Santa: Ich nehme die Preise für Biolebensmittel, Reisen etc. mittlerweile selbstverständlich hin, aber bin dann doch platt, wieviel einige für die Hälfte alles in ihren Einkaufswagen bei Aldi z.B packen können, inklusive ‚Luxuslebensmitteln‘ wie Schokolade, Wein etc.

Anna: Das stimmt… ein schwieriges Thema. Aber unser ‚Bio on a budget‘-Monat hat ja gezeigt, dass es sich auch mit wenig Geld gut kochen lässt. Aufs Wesentliche beschränkt eben.

Santa: Ich bin auf jeden Fall gespannt, was Leo Hickmann noch erlebt. Sein Selbstversuch beginnt zu einem Zeitpunkt, als er und seine Frau sich noch nicht besonders mit nachhaltigem Leben auseinander gesetzt haben. In seinem Fall ist auch seine Frau oft dagegen.

Beziehungskonstellationen

Anna: Spannend, dass er diesen Konflikt beschreibt. Der Partner spielt wirklich eine wichtige Rolle.

Santa: In meinem Fall findet mein Mann es gut, hält sich aber raus. Ansonsten würde ich es sehr, sehr schwer finden…

Anna: Meiner hält sich auch raus, akzeptiert aber all die Veränderungen.

Santa: Ich bin eh für das Management unserer Speisen zuständig. Heute geht er aber mit Einkaufsliste bewaffnet alleine auf den Marché raspaile, weil ich nicht früh genug in Paris bin und es nur einmal in der Woche die Möglichkeit gibt.

Anna: Great!

Santa: Ich denke, es gibt viele Paarkonstellationen… in unserem Konstrukt ist es so, dass ich sehr klare Vorstellungen im Bereich ’nachhaltiges Leben‘ habe und mir das Thema einfach sehr wichtig ist. Er hat keine derartigen Vorstellungen, aber er ist auch nicht dagegen. Ich kenne einige Paare, da möchte z.B. die Frau gerne mehr bio kaufen und der Mann ist gänzlich dagegen oder umgekehrt, siehe in Leo Hickmans Fall.

Kein Zeug schenken

Anna: Wirklich nicht einfach. Aber all die Veränderungen, die wir im Moment so durchleben, sind auch wirklich nicht ohne. Am Wochenende gab’s zum Geburtstag meines Freundes nämlich absolut kein Zeug. Ich musste mir einiges einfallen lassen, um diese ‚Einschränkung‘ zu kompensieren…

Santa: Gar nicht so leicht, ‘Kein Zeug‘ mit Ereignissen, in denen man schenkt, zu verbinden.

Anna: … es hat einiges an Kreativität gebraucht, aber ich glaube, dass er es im Resultat nicht als Einschränkung empfunden hat.

Santa: Zum Geburtstag meines Mannes habe ich ihm damals einfach Monogramme sticken lassen und eine Überraschungs- Feier für ihn organisiert.

Anna: Einfach ist vielleicht der falsche Ausdruck. Das klingt wirklich toll und war sicherlich aufwändiger als in einen Laden zu gehen, zu bezahlen und wieder rauszugehen.

Santa: Ich bin gar nicht mehr an Zeug gewöhnt. Ein Freund von mir hat mir einen wundervollen kreativen Pashmina Schal geschenkt! Ich liebe ihn wirklich sehr. Viel mehr dadurch, dass ich seit Februar nicht einkaufe. Ohne die Zeug-Option muss aber definitiv mehr nachdenken. Das Gegenüber spürt aber auch, dass Gedanken und Liebe drinstecken. Stephanie hat mir doch tatsächlich einen Kulturbeutel selber genäht, Strümpfe gestrickt und meinen Lieblingskosmetika inkl. Parfum für mich hergestellt. Ich war gänzlich baff. Sooooo viele Stunden Arbeit -nur für mich?! Und dein leckerer Aufstrich und all die Leute, die extra für mich angereist sind.

Anna: Ja, diese gesteigerte Wertschätzung war auch Thema in der gestrigen Twitterdiskussion. Peter Hinzmann alias @jnightshift hat mit seinen Text „dagegen“ über die Reaktionen seines Umfeld auf Konsumverzicht den Nagel wirklich auf den Kopf getroffen.

Santa: Ja, wirklich toll!

Anna: Ich glaube, er hat nicht nur mir aus der Seele gesprochen. Schon als Kinder werden wir extrem auf Konsum gepolt. Uns kritisch mit dem Thema zu befassen, stellt innerlich wie äußerlich eine kleine Revolution dar. Konsumverzicht stellt die Gesellschaft schließlich auf den Kopf.

Santa: Ich glaube auch! In dem Hickman Buch geht es auch öfter darum, ein Teil mit einem nachhaltigeren Produkt zu ersetzen, allerdings wird in dem Buch vergessen, wie viele Ressourcen bei der Produktion eines neuen, auch nachhaltigen Produktes drauf gehen. Einfach mal nicht kaufen und sehr, sehr genau überlegen, was man braucht, ist für mich etwas Neues.

Anna: Recht hast Du.

Meyereien

Anna: Hickmann, Hinzmann… Na, das passt ja heute. Hatte auf Baltrum auch wieder ein lustiges Meyer-Erlebnis. Wir sollten am Hafen von der Verwalterin der Ferienwohnung abgeholt werden. Als ich ein wenig herumguckte, kam ein Mann zu mir, der fragte: Sind Sie Frau Meyer? Ja, sagte ich. Sind Sie Herr Vries? Nein, Meyer. Ach, Sie heißen Meyer, fragte ich. Ja, ich heiße Meyer und Sie auch. Ich bin ihr Verwalter. Ich hole Sie hier ab. Ich dachte, uns würde eine Frau Vries abholen… lange Rede, kurzer Sinn. Dieser Herr Meyer suchte eine Frau Meyer, er fand sie sogar – aber eben nicht die Richtige. Crazy, oder? Kurze Zeit später wurden wir dann von Frau Vries abgeholt und ich hoffe, er hat seine Frau Meyer noch gefunden. Puuhhhh, nicht so viel schreiben, Anna. Mir ist schon ein bisschen schlecht. Sind gerade auf der Rückfahrt.

Santa: Fahren grad durch Köln. Und ihr, Frau Meyer?

Anna: Wir fahren durch’s Emsland. Grüß mir Kölle, meine Heimat!

Naturhotel Baltrum

Anna: Auf Baltrum gibt es auch ein wunderbares Naturhotel. Mit gutem Frühstück, Yoga, Sauna, Bibliothek… Sehr zu empfehlen. Wir haben bei Verwandten übernachtet, aber ich habe mir das Hotel zeigen lassen. Ein wirklich toller Ort.

Santa: Oooh, das klingt verlockend. Schön, dass du dich ein wenig erholen konntest.

Anna: Mir fällt gerade auf, dass die Worte Erholung und Entspannung eigentlich komisch sind. Erholung von… das klingt fast ein wenig negativ. Würde Fromm jedenfalls sagen. Weil es nicht auf das Gute abzielt sondern auf eine Abgrenzung vom Schlechten. Oh, oh… philosophical sunday 🙂

Santa: Ja, das haben unsere Sonntage so an sich. Ich habe schon immer gerne mit Worten gespielt. Jetzt aber kommt das Großartige, dass ich Worte gerade auch in meiner Welt real werden lassen kann. Weniger ist tatsächlich mehr – oder wie wieder Herr Hinzmann gesagt hat: Mehr, nicht weniger! Mehr Überblick, Bewusstsein, Körpergefühl, Zeit und Raum… Erholen muss ich mich dennoch. Egal, wie sehr ich es versuche, aber mein Leben hängt sehr stark von den Phasen und Launen meines Kindes ab, während ich mir beruflich und auch in anderen privaten Bereichen sehr viel mehr Freiheit nehme -auch mal nichts zu tun und nicht zu erfüllen, was ich glaube, das man von mir erwartet.

Anna: Ja, das glaube ich. Am Besten man erholt sich jeden Tag ein wenig… ich suche trotzdem mal nach dem richtigen Wort für einen locker-leichten Urlaub. Vielleicht erfinde ich selbst eins?

Santa: Ja, bitte erfinde etwas. Meyerschön? Meyerleicht? Ich sage dir, Meyer wird noch zum Modewort!

 

Mixer

Santa: Ich habe im Koffer den Vitamix als freundliche Leihgabe. In Paris merke ich, dass ich mit meinem Pürierstab nicht so weit komme. In Norwich habe ich auch noch einen Mixer. Ich werde wegen ‘Kein Zeug‘ aber auch darüber hinaus erst wieder einen kaufen, wenn das alte Gerät nicht mehr funktioniert, aber ich muss schon sagen, dass mich meine ersten Versuche mit dem Vitamix beeindruckt haben. Meine Mama kocht ja, wenn wir da sind, eher etwas zuviel. Also habe ich aus Reis, Nüssen und Trockenfrüchten einen tollen Smoothie gemacht, oder Nussmuß, ein rohes Schoko-Nuss-Dessert oder Karottengrünpesto innerhalb von Sekunden. Ich finde es sehr wichtig, dass man gute Geräte hat, die einem keinen Ärger machen. Deswegen bin ich gespannt, was er so hergibt und ob er das Gerät meiner Zukunft ist oder eher ein Öko-Hype für mehrere hundert Euro. Als ich in Maastricht studiert habe, hatte ich einen Mixer für 20 Euro von Hema, den ich ständig reklamieren musste. Damals habe ich schon bio gekauft, aber auf Geräte und Dauerhaftigkeit habe ich noch gar nicht geachtet. Immerhin hat der Vitamix 7 Jahre Garantie. Let’s see. Bisher bin ich richtig zufrieden.

Anna: Oh, wir spannend! Hatte auf Baltrum auch meinen Pürierstab dabei. Und ich habe Giersch, Löwenzahn und Brennnesseln gefunden. Dazu ein paar kleine Garten-Erdbeeren und Walnüsse… Mhhhh…. Im Naturhotel stand der Mixer von Bianco. Sicherlich auch eine gute Wahl. Aber teste Du mal den Vitamix und lass uns unbedingt wissen, wie es klappt. Ich bin gespannt!

Blog-lovin‘

Santa: Gerade im Zug habe ich eine interessante Frau kennen gelernt, die auch zwischen Paris und London pendelt und ihren Doktor an der LSE macht. Es stellte sich heraus, dass sie auch einen Blog schreibt, einfach nur mit ihren Gedanken und Erlebnissen. Wie klein die Welt doch ist. Der Blog heißt ‚Epiphany‘.

Anna: Wow, ich schaue ihn gleich mal an. Diese Blogosphere ist so aufregend. Und erst seit ein paar Monaten weiß ich davon. Crazy.

Santa: Und wie schön die Welt dabei ist…  Bei Twitter fragte Diana, ob wir auch alle so viele sinnfreie Gespräche über unseren Lebenswandel z.B. ‘Kein Zeug‘ führen? Und das konnte ich bejahen, aber ich merke auch, wie offen viele, viele Menschen sind und wie inspirationsbereit. Ich missioniere fast gar nicht mehr und dabei merke ich, dass viele trotzdem einiges ändern, obwohl ich es einfach nur für mich mache.

Anna: Jaaaaaaaaaaaaa! Unvorstellbar, wirklich.

Santa: Ich habe auch sehr selten mal einen Blogpost gelesen, aber ich merke, wieviel Potenzial für Inspiration es da gibt. Hast du mal in den Blog von Robert Lisac Walkabout geschaut? Da ist ein toller Beitrag, in dem es darum geht, sich eigene Minimalismus-Optionen zu schaffen… Auch die Straßenkampfregel, die er in dem Post anführt, ist Food for Thought.

Anna: Ich schau’s mir gleich an.

Santa: Fabian hat unsere #FS_NC14 übrigens als Lesezeichen der Woche aufgeführt.

Anna: Ja, hab ich gesehen. Nice!

Unvorhergesehens

Santa: Weißt du, was mir aufgefallen ist? Heute vor 6 Monaten haben wir festgelegt, dass wir den Selbstversuch machen! Da wussten wir noch gar nicht, was alles folgen würde! Die Nachhaltigkeitschallenge 2014 mit all den lieben Leuten haben wir auch nicht vorhergesehen.

Anna: “Es gibt immer noch das andere, sogar das Undenkbare“, sagte Borges. Wer weiß, was uns noch erwartet?

Santa: Ich bin auf jeden Fall gespannt und offen. Ein Leben mit dem Flow!

Anna: Ich auch. Aber jetzt würde ich sagen… Schluss für heute. Dir weiterhin eine gute Reise! Grüß mir Paris!

Santa: Danke schön! Wird gemacht. Der strahlend blaue Himmel und die Aussicht, gleich am Bahnhof freudig von meinem Mann begrüßt zu werden … ist eine sehr schöne Aussicht!  Grüß mir auch Düsseldorf. Bis bald, ma chère!

Anna: Bis baaaaaaald!

 


 

tt30-logoWeitere Infos und jede Menge Interaktion findet Ihr auch auf der Facebookseite „Die Nachhaltigkeitschallenge 2014„, über Twitter unter @Finding_S und über den Blog der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome. Und ja, einen Hashtag gibt’s auch:#FS_NC14

 


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