Challenge No.7: Bilanz – Leben im regionalen Kontext


Leben aus der Region? Ist das überhaupt möglich? Wächst genug, um uns einen Monat lang mit Vitaminen, einem ordentlichen Sättigungsgefühl und natürlich auch mit Genuss zu versorgen? Und schaffen wir es, all die lokalen Köstlichkeiten als solche zu identifizieren? Schaffen wir es außerdem auf die anderen Köstlichkeiten, die von weiter weg, zu verzichten?

Genau das waren unsere Fragen zu Beginn des Monats. Na klar, wir sind nicht vollkommen unvorbereitet gestartet. Wir haben viel recherchiert und uns ausgetauscht mit Leuten, die schon lange auf eine Versorgung aus der Region achten. In unserem Auftaktartikel haben wir die wichtigsten Hinweise zusammengefasst. Zum einen für eine gute Ernährung. Und im Nachtrag für regionale Kosmetik, Waschen, Putzen & Co. Für uns selbst, aber auch für zahlreiche Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die sich diesen Monat mit uns auf den Weg gewagt haben. Auf den kurzen Weg in unser ganz nahes Umfeld. Warum auch in die Ferne schweifen? Wenn es all diese Köstlichkeiten zu entdecken gibt: Kastanien- und Buchweizenmehl, Hafer, Hirse, Grünkern, Gerste, Bulgur, und, und, und… In Sachen Getreide bleiben keine Wünsche offen. Man muss beim Einkauf ein wenig auf die genaue Herkunft achten, aber grundsätzlich wächst hier bei uns viel, viel, viel… Ebenso vielseitig und köstlich sind zum Beispiel Nussöle und Rapsöl aus der Region. Wirklich großartige Alternativen zu Oliven- und Arganöl aus der Ferne! Besonders das Rapsöl der Teutoburger Ölmühle aus Ibbenbühren hat es uns angetan. Mit Buttergeschmackt! Mmmhhh…

Auf viel mehr Einzelheiten möchten wir gar nicht eingehen. Es lohnt sich, für ganz konkrete Hinweise, zum Beispiel zu lokalen Gewürzen, in unsere Einträgen der vergangen Wochen zu stöbern. Unsere Kräuterkönigin Caroline hat da jede Menge zusammengetragen. So viel, dass wir voller Stolz das Kräuterspecial I sowie das Kräuterspecial II anzubieten haben. Außerdem jede Menge Tipps von Rubina. Zum Beispiel DIY Muckefuck, Malzkaffee und nostalgischer Löwenzahnsalat. Ach ja, dieser Muckefuck… eine Art Kaffeeersatz. Ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber keinesfalls schlecht. Für diejenigen, die der Lust des Selbstmachens noch nicht vollends verfallen sind, haben wir den Naturata-Getreidekaffee aus dem Bioladen getestet und für gut befunden. Dennoch… der Koffeinverzicht ist uns nicht immer leicht gefallen. Für den schnellen Kick griffen wir auf Wasser mit einem Schuss Apfelessig zurück. Not too bad. Dennoch, nachdem wir diesen Monat sehr konsequent waren, möchten wir in Zukunft nicht gänzlich verzichten. Wir werden jedoch jede Tasse Kaffee, genauso wie jedes Stück Schokolade mit großer Wertschätzung und sehr großem Genuss essen. Und viel seltener. Gerade bei Kaffee und Schokolade geht es uns zudem nicht nur darum, dass Gewicht um die Welt geschippert wird… nein, auch die sozialen Aspekte sind uns wichtig. Mitte des Monats erschien ein sehenswerter Film, mit dem „Fair Trade“-Prinzip auf dem Prüfstand. Anna hat sich 2009 beruflich mit ähnlichen Fragen beschäftigt. Bei ihr ging es um Tee aus Laos. Das ganze Themenfeld ist unglaublich komplex und verdient vielleicht einen separaten Beitrag… hier ganz kurz unser Fazit nach einem Monat ohne das braune Glück: Wir lieben es, wir werden es in Zukunft mit Bedacht konsumieren und sind bereit die Kosten für eine immerhin in Ansätzen funktionierende Erzeugung nach Fair Trade-Regularien und Biostandards zu tragen. Wert-Schätzung großgeschrieben.


Ganz grundsätzlich geben wir zu, dass der Juli wohl den wunderbarsten Monat für ein solches Experiment darstellt. Gemüse und Obst wächst in deutschen Landen in nahezu grenzenloser Vielfalt. All die köstlichen Beeren… und auch jede Menge Zutaten für einen ordentlichen Heimatabend am Grill. Apropos Heimat… einen Werbeblock für das neue Portal von Valentin Thurn, dem Erfinder von Foodsharing und Macher von Taste the Waste, können wir uns nicht verkneifen. Also, bitte volle Konzentration…: Wir empfehlen, das neue Portal „Taste of Heimat“! Das Ganze ist noch im Aufbau, aber wir sind schon jetzt begeistert. Ebenso angetan hat es uns das Internetportal „Mundraub“. Einfach fantastisch, was Konstantin, Madeleine, Kai, Marcel, Henrik und Stephanie da auf die Beine gestellt haben. Geht und sucht – ihr werdet finden!!! Und dann… SCHMECKEN LASSEN!!!
Ja, manchmal kann es also sehr, sehr gut klappen mit der Ernährung von der Hand in den Mund… anders sieht es aus an deutschen Bahnhöfen und in ganz normalen Imbissbuden. Manchmal auch in feinen Restaurants. Black boxes haben wir angetroffen. Weder die Bedienung noch die Speisekarte weiß so recht, wo sie eigentlich herkommen, die Zutaten… mmmmhhh… schwierig. Besonders natürlich während der letzten vier Wochen. Aber auch ganz generell – macht es wirklich Spaß etwas zu essen, von dem man so gar nichts weiß? Naja, zugegebener Maßen, … ab und an genießen wir es ja auch, den Kopf einfach auszuschalten. Aber, aber… lieber ist es uns anders. Im Alltag zum Beispiel, hat sich Santa an einen schönen regionalen Lebensstil gewöhnt, den sie in aller Ausführlichkeit hier beschreibt.

Mit den klimaschädlichen Emissionen, die mit unseren Lebensmitteln zusammenhängen, ist es ein wenig komplizierter als gemeinhin angenommen. Auch unsere Prämisse war lange, dass wir „Flugware“ kritisch sehen. Nach wie vor sind wir sehr kritisch bei Fisch und Blumen aus der Ferne – vor allem setzen wir bei derartigen Luxusgütern auf Reduktion. Aber wie sieht es zum Beispiel mit Tomaten aus? Eindeutig ist, dass Tomaten in der jeweiligen Saison auf heimischem Boden nach ökologischen Standards angebaut, die beste Bilanz haben (25 g CO2 auf 1 kg Tomaten). Haben wir in Deutschland allerdings keine Saison, schlägt der konventionelle Anbau in beheizten, deutschen Gewächshäusern mit 9300 g zu Buche. Da kommt selbst die Flugware von den Kanaren mit 7200 g besser weg. Hier also eine ganz klare Empfehlung, den saisonalen Blick zu schärfen… auch wenn das Angebot im Winter etwas weniger schillernd als im Sommer ist.

Ohne besonderen Fokus auf das Thema Regionalität haben wir uns erlaubt, einen Brief an Frau Raether zu schreiben. Sie hat als Zeit-Autorin für einigen Wirbel gesorgt mit ihrem Artikel „Ran an die Buletten“ (in der Print-Version des Zeit-Magazins) bzw. „Her mit der Wurst“. Wirbel in Form von jeder Menge Diskussionsstoff zwischen Fleischessern und Vegetariern. In unserem sozialen Umfeld war jedenfalls ganz schön was los – da konnten wir uns nicht zurückhalten, der Dame unsere Meinung aufzudrängen. Mal sehen, ob sie antworten wird.

Überhaupt war dieser Monat sehr aufregend. Die Meyers standen nämlich zwei Tage lang vor der Kamera um den Selbstversuch, genauso wie die Nachhaltigkeitschallenge 2014, für den WDR zum Besten zu geben. Wir sind gespannt, was daraus wird! Die Ausstrahlung ist für Oktober geplant. Und wenn wir schon dabei sind: der #Blog von Werner Lampert, dem österreichischen Pioneer in Sachen ökologische Landwirtschaft, wird nun auch regelmäßig über unsere Challenges berichten. Hier schon einmal der erste Post. Angekündigt hat er uns bei Twitter folgendermaßen: „Man müsste doch etwas verändern! Am besten gleich die ganze Welt! Ein Selbstversuch zieht Kreise.“ Yep!

Und natürlich haben wir uns, mal wieder, sehr gefreut über alle, die mitgemacht und uns mit Erfahrungen und Tipps versorgt haben. Twitter is great – because of its people!

Und was haben wir, zusammengefasst, von diesem Monat gelernt:

1. Die Vielfalt an regionalen Lebensmitteln ist riesig! Mit ein wenig gutem Willen sind die Herkunft der meisten ursprünglichen Produkte beim eigenen Einkauf leicht ersichtlich oder mindestens gut zu recherchieren. Auf einem Wochenmart ist es viel leichter als im Supermarkt. Außerdem lässt sich Verpackung sparen.

2. Schwierig wird’s bei der Weiterverarbeitung (aber dafür haben wir uns ein kleines August-Special ausgedacht).

3. Gerade unterwegs oder in Restaurants ist Fragen angesagt – doch eine konsequente Ernährung aus der Region ist ohne eigene Einflussmöglichkeiten schwierig.

4. Dennoch, es gibt sie, die Lokalitäten, die regionale Köstlichkeiten schätzen. Please support!

5. Gerade Produktgruppen, bei denen Lebensmittelspekualtionen und dramatische Beschäftigungsverhältnisse an der Tagesordnung sind, sind mit Vorsicht zu genießen. Besonders wenn es um vermeintliche Schnäppchen geht. Weit weg wird der wahre Preis für unsere Kaufentscheidung bezahlt. Fair Trade und eine gesteigerte Wertschätzung sind besonders für Kaffee, Tee und Schokolade für uns unverzichtbar und auch da liegt für uns die Schönheit im richtigen Maß.

6. Auch Köstlichkeiten wie Avocados, Bananen, Kokosmilch und Ananas schmecken uns weiterhin. Sie sollen allerdings nur als Besonderheiten Eingang in unseren Speiseplan finden und eben nicht als „normale“ Alltagslebensmittel.

7. Genauso sieht es mit exotischen Gewürzen aus. Wir kennen seit Kurzem einfach all die wunderbaren Alternativen aus heimischen Landen. Anna hat sogar mal in einem sehr empfehlenswerten Bio-Hotel in der Sächsischen Schweiz eine „Thai-Massage“ mit rein heimischen Ölen und Düften bekommen. Wir sind in gewisser Weise davon überzeugt, dass uns genau das gut tut, das auch um uns herum wächst. Trotzdem – wir wollen die Globalisierung nicht ungeschehen machen. Es ist nur so, dass wir diesen Monat die Vielfalt der Heimat zu schätzen gelernt haben.

8. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Schöne liegt so nah?! Wir lieben Urlaub ohne Flugemissionen.

9. Local summer festivals rock!

10. Unsere neue Lust an regionalen Strukturen beschränkt sich nicht auf Lebensmittel. Auch das Handwerk, Dienstleistungen, Kunst,… mit ein wenig Achtsamkeit für umliegende Angebote sind positive Überraschungen vorprogrammiert! Promise.

Ist dem etwas hinzuzufügen? Wir sind auf Eure Erfahrungen gespannt. Wir sind noch nicht durch mit der regionalen Challenge und werden euch weiterhin dazu berichten. Denn die Nachhaltigkeits-Challenges sind alle auf irgendeine Weise miteinander verknüpft und führen uns zu einem zufriedeneren Leben, das auf innerer und äußerer Nachhatigkeit beruht. Stephanie hat uns nun nach einer kleinen inspirierten Pause lauter tolle regionale Ideen zukommen lassen. Bald mehr! Nun aber los in in die plastikfreie Zone!

Viele liebe Grüße

Santa und Anna
P.S. Ein sehr aussagekräftiges Feedback haben wir von Sibyl aus unserem Think Tank 30, die im Juli ausgerechnet in China auf Dienstreise war und dort versucht hat, auch regional zu leben.

 


 

tt30-logoWeitere Infos und jede Menge Interaktion findet Ihr auch auf der Facebookseite „Die Nachhaltigkeitschallenge 2014„, über Twitter unter @Finding_S und über den Blog der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome. Und ja, einen Hashtag gibt’s auch:#FS_NC14

 


16 Antworten zu “Challenge No.7: Bilanz – Leben im regionalen Kontext”

  1. Liebe Santa, liebe Anna,

    zum Punkt 3 und 4 möchte ich euch einen Tipp geben:
    Der Hundertwasserbahnhof in Uelzen. Im Restaurant war ich 2012 gerne, als ich beruflich Zeit in der Ostheide verbrachte. Mir hat die Atmosphäre gut gefallen und das Mittagsangebot gut geschmeckt. Vollkorngebäck kaufte ich gerne im dazugehörigen Backshop im Bahnhof. http://www.laessig-im-bahnhof.de
    Herrlich die Auswahl am Vitalmarkt jeden Mittwoch und Samstag Vormittag in der Innenstadt – da macht das Bummeln, Auswählen und das Gespräch mit den Erzeugern Spaß.

    Viele Grüße aus Bayern
    Andrea

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