Wird man satt ohne Raubbau an unseren natürlichen Ressourcen? Carla Giardini über das, was uns wirklich zusteht.


Als Mitglieder des tt30, dem jungen Club of Rome, ist uns eines schon lange bewusst: Es gibt Grenzen des Wachstums. Genau das war die Aussage, der 1972 vom Club of Rome beauftragten Studie. Hört, hört… ein wenig Achtsamkeit und vorausschauendes Denken sind also unerlässlich. Und was passiert tatsächlich? Wir nehmen uns, was wir meinen zu brauchen. Ohne Rücksicht auf Verluste.

der globale acker

Alle?

Nein, niemals alle. Es gibt wunderbare Initiativen, die genau einer solchen Entwicklung entgegen wirken wollen. Wir haben eine ganz besondere entdeckt und uns sofort mit jeder Menge Fragen an die Protagonistin, Carla Giardini, gewandt. Und, YIPPEAH!!, sie hat uns geantwortet. We are impressed. Vielleicht noch kurz eine Info um das Projekt richtig einzuordnen: Gesprochen haben wir mit Luise Körner, die das Ganze koordiniert. Bei ihr laufen vom Feld bis zur Webseite über die involvierten Expert*innen, ehrenamtlichen Helfer*innen und Ideengeber*innen die Fäden zusammen. Wir sind jedoch von den Figuren Carla und Ben so begeistert, dass wir für dieses Interview dabei bleiben möchten.

Ein großes Dankeschön an Andrea von Go Veggie Go Green, die als eine unserer veganen Lieblings-Challenger während unserer Regio-Challenge auf Carlas und Bens Albleisa stieß.

anbau-beispiele

Liebe Carla,

wenn man auf Eure Website 2000 m2 anschaut, stößt man auf folgenden Teaser: „Teilt man die Ackerfläche dieser Welt durch die Zahl ihrer Bewohner ergibt das etwa 2000 m². Unglaublich was darauf wachsen kann: Tonnenweise Gemüse, Kartoffeln oder Getreide. Wer soll das alles essen? Noch unglaublicher ist, dass wir Europäer mit diesem Platz nicht auskommen, weil wir so viel verbrauchen, verschwenden und vernichten.“ Wir Meyers, Städter, die zwar wissen, dass die Milch nicht aus dem Tetrapack kommt, sind auf jeden Fall fasziniert von Eurem so genannten „Weltacker“. Wenn man nicht so naturnah lebt wie z.B. in Auhausen, wo Anna und ich uns letztes Wochenende befanden, dann ist es gar nicht so einfach, zu wissen, was regional alles möglich ist. Also ran an die Albleisa-Buletten (Frau Raether, die schmecken auch vegan – ehrlich): Let’s ask questions!

Meyer&Meyer: Kannst du uns ein bißchen von Eurem Weltacker erzählen, Carla? Woher kam euch die Idee von 2000m2? Wann habt ihr zu Pflanzen begonnen?

Carla: Die Idee entstand bereits vor einigen Jahren. Benedikt Haerlin, der Initiator des Projektes, lief mit dieser Zahl herum: 2000 m² – die weltweite Ackerfläche geteilt durch die Anzahl der Menschen auf der Erde. Damit wollte er was machen. Bei „ARC2020“, einem europäischen Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen, die sich alle für eine grünere und gerechtere EU-Agrarpolitik einsetzen, kam dann der Gedanke, die komplexen Zusammenhänge von Landwirtschaft und Politik anhand dieser Zahl zu beschreiben. Auf unserer Webseite sehe ich, welchen Einfluss die Politik und mein eigenes Handeln auf unser Essen und unsere Landwirtschaft hat. Ganz konkret auf dem Stück Ackerland, das mir zahlenmäßig zur Verfügung steht. Ende 2013 haben wir dann entschieden, dieses Stück Ackerland auch tatsächlich erfahrbar zu machen. Seitdem gibt es den kleinen 2000 m² Weltacker an der Havel.

Meyer&Meyer: Wie weit könnt ihr euch bereits über euren Acker versorgen? Lebt ihr selbstversorgt oder müsst ihr dazukaufen?

mll

Carla: Momentan bauen wir unsere Pflanzen auf dem Weltacker in demselben Verhältnis an, wie weltweit angebaut wird. Der Acker ist öffentlich und wie ein kleiner Garten angelegt. Am Spazierpfad entlang befinden sich Infotafeln, die Geschichten über die angebauten Kulturen erzählen. Ab dem kommenden Anbau- und Erntejahr wollen wir tatsächlich einen Menschen ein Jahr lang von unserem Acker ernähren. Hierfür gibt es noch einiges zu tun. Momentan recherchieren wir Ernteerträge, Nährwerte, Rezepte, Verarbeitungsmöglichkeiten und, und, und. Unter dem Titel „Projekt 2000 m²: Ein Feld. Ein Mensch. Ein Jahr.“ wollen wir unsere Zwischenergebnisse beim Stadt.Land.Food Festival im Oktober in Berlin einem breiten Publikum präsentieren und zum Mitdiskutieren einladen.

Meyer&Meyer: Im Frühjahr und Sommer wächst ja bekanntlich mehr als im Herbst oder Winter. Wie schafft ihr es, über das ganze Jahr verteilt gut versorgt zu sein? Legt ihr Vorräte an und wenn, dann wie (einlegen, lagern etc.)?

Carla: Genau, daran feilen wir im Moment. Wir haben eine AG Verarbeitung, die sich beim „Ein Feld. Ein Mensch. Ein Jahr“-Projekt damit befasst. Über Tipps und Unterstützung freuen wir uns jederzeit! Es ist wirklich ein globales Thema, das lokal erfahrbar ist.

landraub

Meyer&Meyer: Durch unseren Selbstversuch haben sich unsere Sinne verändert und wir sind extrem sensibilisiert, z.B. für die Massen an Verpackung, die uns umgeben. Wie ist es für Dich, wenn du durch einen Supermarkt läufst?

Carla: Das geht uns hier genauso. Gemüse direkt vom Acker zu bekommen, frisch und zum perfekten Zeitpunkt geerntet ist für uns Städter*innen eine ganz neue Erfahrung. Das glänzende Gemüse im Supermarkt wirkt mittlerweile fast unecht. Zumal einem klar wird, wie viel auf der anderen Seite weggeworfen wird, weil es nicht „perfekt“ ist. Und die Banane in der Plastiktüte scheint einfach nur noch absurd.

Meyer&Meyer: Welche Ernährungsform – vegan, vegetarisch, karnivor – ist, Eurer Erfahrung nach, die geeignete in Hinblick auf die Größe Eures Ackers? Könnt ihr Euch über Euren Acker ausreichend mit allen wichtigen Vitaminen und Nährstoffen versorgen?

Carla: Wir recherchieren noch was die Nährwerte angeht. Das Thema ist ziemlich aufgeladen und es gibt viele, teilweise widersprüchliche, Angaben. Zudem ist es auch eine ideologische Frage. Am einfachsten wäre es, sich von unserem Acker vegan zu ernähren. Der Anbau von Getreide und Eiweißpflanzen für die Ernährung von Tieren verbraucht ja einiges an Ackerfläche. Zudem müssten wir uns angemessen um sie kümmern. Ob wir aber durch Fermentation und geschickten Anbau mit den Nährstoffen für eine vegane Ernährung hinkommen, haben wir noch nicht abschließend geklärt. Darüber hinaus wollen wir mit unserem Projekt eine breite Öffentlichkeit ansprechen und gerade Vegetarier*innen und Fleischesser*innen können durch eine Änderung ihres Verhaltens große Veränderungen bewirken. Wenn ihr ganz genaue Zahlen haben wollt, schaut mal hier.

tierische verluste

Meyer&Meyer: Wie wir von Freunden wissen, die einen Bio-Hof führen, ist Landwirtschaft sehr zeitintensiv. Ist die Bewirtschaftung eures Ackers ein Fulltime Job oder habt ihr noch Zeit für Anderes?

Carla: Landwirtschaft ist auf jeden Fall ein Fulltime Job! Wir teilen die Arbeit unter uns auf und haben zum Glück ehrenamtliche Helfer*innen, die einspringen, wenn z.B das Beikraut mal wieder die Oberhand gewinnt. Zur Ernte haben wir einige Feste geplant, an denen wir mit vielen Leuten gemeinsam ernten und feiern wollen.

Meyer&Meyer: Wie ist das Leben nach den Jahreszeiten?

Carla: Was die Aussaat- und Erntetermine angeht, so vergeht das Jahr ziemlich schnell. Auf dem Feld ist immer etwas zu tun. Auf jeden Fall begreift man plötzlich: Ach deshalb gibt’s jetzt Rüben und keine Tomaten.

Meyer&Meyer: Stichwort Minimalismus und Zufriedenheit: Was bedeutet für dich Zufriedenheit bzw. um es in Sandros Worten zu sagen: Sustainhappility? Wie fühlt es sich an, eigenverantwortlich für seine Ernährung zu sorgen? Hat sich Eeine/Eure Beziehung zum Essen verändert? Wie geht es Dir mit diesem großen Projekt im Allgemeinen?

Carla: Unsere Beziehung zum Essen hat sich durchaus verändert. Einfach weil wir genau wissen, was es bedeutet. Wenn es mal wieder tagelang nicht regnet oder die Kartoffelkäfer alles ratzekahl gefressen haben. Was sich für mich persönlich verändert hat, ist mein Respekt gegenüber dem Erzeuger meines Essens: Meinem Bauer oder meiner Bäuerin. Diese Menschen sorgen dafür, dass wir jeden Tag unser Essen auf dem Teller haben. Gerade jetzt in der Planungsphase für das nächste Jahr wird mir bewusst, wie viel Verantwortung dahinter steht uns was alles beachtet werden muss. Wenn dann alles klappt, ist es ein großartiges Gefühl. Morgen sind wir zum gemeinsamen Mittagessen verabredet und kochen unsere ersten Zucchini!

Meyer&Meyer: Klingt toll! Hast Du praktische regionale Tipps und Tricks für uns und unsere Co-Challenger? Wie würzt oder putzt und wäschst Du z.B.? Und wie hälst Du es mit Kosmetika und Beauty-Mittelchen?

Carla: Da fällt mir leider gerade nichts ein. In den kommenden Monaten wird das aber bestimmt ein Thema. Dann liefere ich gerne nach 😉 Und ihr habt diesbezüglich ja auch schon jede Menge veröffentlicht.

Meyer&Meyer: Stimmt… und es ist verrückt, dass unser Regio-Fokus schon wieder vorbei sein soll. Diesen Monat konzentrieren wir uns darauf, Plastik zu vermeiden und auch darauf, ursprünglicher zu leben. Na, das passt also doch wieder! Irgendwie hängt alles zusammen. Letzte Frage: Wie finanziert Ihr eigentlich Eure wunderbare Arbeit?

Carla: Das Projekt finanziert sich über Spenden. Kein einfaches Thema. Es fällt schon einiges an. Auch gerade jetzt brauchen wir wieder neues Werkzeug, Saatgut und bald kommt die neue Pacht auf uns zu. Für 10€ pro Quadratmeter kann man eine Ackerpatenschaft übernehmen. Dann bekommt man ein Schild mit seinem Namen und einem Foto auf dem Weltacker und alles läuft dann auch nochmal über die Webseite, Facebook und Twitter. Hier gibt’s mehr Infos. Wir freuen uns über jedes Engagement. Ob finanziell oder tatkräftig. Das Thema ist wirklich wichtig.

Meyer&Meyer: Oh ja! Dem ist nichts hinzuzufügen! Vielen, vielen Dank für Deine Zeit und Offenheit. Auch für die tollen Bilder (credit to 2000m2.eu, ARC2020). Wir bleiben dran.

Carla: Euch auch weiterhin viel Erfolg. Ich halte mich auf dem Laufenden, wie es in Sachen Nachhaltigkeitschallenge 2014 weiter geht.

 


 

tt30-logo

Weitere Infos und jede Menge Interaktion findet Ihr auch auf der Facebookseite „Die Nachhaltigkeitschallenge 2014„, über Twitter unter @Finding_S und über den Blog der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome. Und ja, einen Hashtag gibt’s auch:#FS_NC14

 


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