Nachhaltigkeit und Effizienz – Franz denkt nach


nachhaltigkeit und effizienz
Oft sieht man das moderne Effizienzstreben in unserer Gesellschaft und der Wirtschaft als Feind von Nachhaltigkeit an. Lasst uns diese gängige Weisheit einmal hinterfragen. Ist Effizienzsteigerung der Kern des Übels? Oder nur eine Begleiterscheinung des Konsumrauschs und damit eines Mangels an Nachhaltigkeit in unserer Welt? Kann Effizienzsteigerung manchmal umgekehrt der Nachhaltigkeit dienen, ja ein Erfordernis nachhaltigen Wirtschaftens sein? Diesen und ähnlichen Fragen wollen wir nachgehen, um im Ergebnis die gängigen Vorbehalte gegenüber Effizienz zwar teils zu bestätigen, teils aber auch zu revidieren und umzukehren. Die Bewertung wirtschaftlicher Effizienz wird also differenziert ausfallen.

1. Gängige Vorurteile über Effizienz

Ebenso positiv, wie der Begriff der Effizienz teilweise belegt ist – wenn es etwa um die Sanierung von Staatshaushalten, die Erleichterung bürokratischer Vorgänge oder die Organisation und Strategie eines Wirtschaftsunternehmens geht – ebenso kritisch betrachtet man oft das allgegenwärtige Effizienzstreben in unserer Gesellschaft. Das Effizienzstreben erscheint einem oft als Bestandteil eines allgegenwärtigen Strebens nach mehr: mehr Konsum aller Art, mehr Information, mehr Reisen, mehr Erlebnisse und Ereignisse. Egal wie kritisch jemand gegenüber Effizienz eingestellt sein mag, so wird er feststellen müssen, dass auch er vom Streben nach Effizienz mitgerissen ist, sei es aus „Schwäche“ oder aus einer Notwendigkeit heraus. Kurz gesagt, Effizienzstreben scheint ein allgegenwärtiges fast unvermeidliches Phänomen zu sein, zumindest von modernen Gesellschaften wenn nicht sogar vom Menschen im Allgemeinen. Aber wie ist Effizienz wirklich zu bewerten?

2. Was ist eigentlich Effizienz?

Wir müssen uns zunächst vergegenwärtigen, was Effizienz eigentlich ist. Allgemein nennt man einen Prozess (oder eine Vorgehensweise, eine Organisationsweise, usw.) dann effizient, wenn ein hoher Output pro eingesetzten Input erreicht wird. So ist eine Putzweise effizient, wenn viel Sauberkeit pro Putzstunde erzielt wird; ein Auto, wenn es viele Kilometer pro Liter Benzin fährt; eine Produktionsweise, wenn viel erzeugt wird pro eingesetzten Grundstoffen oder anderen Inputs; und so weiter.

Aus diesen Beispielen wird sofort deutlich, wie breit der Effizienzbegriff anwendbar ist. So können die Outputs unterschiedlichster Natur sein; in unseren Beispielen ist es jeweils die Menge an erzeugter Sauberkeit, gefahrenen Kilometern, oder produzierten Gütern. Und auch die Inputs können verschiedene Formen annehmen, wie etwa zuvor Putzstunden, Liter Benzin, oder Mengen an Grundstoffen. Wenn man sich für eine bestimmte Input-Art interessiert, gibt man dies oft ausdrücklich an. Zum Beispiel ist eine Maschine Umwelt-effizient, wenn sie viel produziert pro angerichteter Umweltverschmutzung, Arbeits-effizient, wenn sie viel produziert pro eingesetzte menschliche Arbeitsstunde, und so weiter.

Ganz egal für welche Art von Effizienz man sich interessiert, solange man die jeweiligen Inputs und Outputs numerisch quantifizieren kann, so kann auch die Effizienz quantifiziert werden, nämlich als der Bruch

E = O ÷ I ,wobei E, O und I numerische Größen sind, die jeweils die Effizienz, den Output und den Input quantifizierten.

Ein Blick auf die Entwicklung der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte zeigt, dass die Effizienz in fast allen Bereichen steigt, da fast überall mehr Output pro Input erzielt wird. Autos fahren mehr Kilometer pro Liter Benzin, Maschinen produzieren mehr oder schneller pro eingesetzten Inputs (wie Grundstoffen oder Energie), Computer verarbeiten mehr Daten pro Zeiteinheit, und so fort. Welche Kräfte aber verursachen diese allgemeine Effizienzsteigerung, und wie wünschenswert ist sie?

3. Konsumstreben und Effizienz

Nachdem wir den Effizienzbegriff nunmehr präzise als Verhältnis von Output und Input erfasst haben, können wir unmittelbar eine wichtige Quelle identifizieren, die für die fortwährende Effizienzsteigerung verantwortlich ist: das Streben nach mehr Konsum aller Art. Alles, was konsumiert wird, muss nämlich zuvor produziert werden, stellt also einen Output eines Produktionsprozesses dar. Zugleich ist der Input von Produktionsprozessen – insbesondere natürliche Ressourcen wie Öl, Metalle oder landwirtschaftliche Güter – jedoch begrenzt. Soll der Produktions-Output steigen obwohl der zur Produktion notwendige Input begrenzt ist, so kann dies nur durch Effizienzsteigerung erreicht werden. Insofern ist Effizienzsteigerung die unumgängliche Folge des Strebens nach mehr Konsum (Produktion) bei begrenzten Ressourcen.

Natürlich wäre noch einiges mehr über den genauen Mechanismus zu sagen, über den Konsumstreben zu Effizienzsteigerung führt. Zum Beispiel ist dieser Mechanismus ein völlig anderer in einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft als in einer Planwirtschaft. Und natürlich fällt die Effizienzsteigerung womöglich im einen Wirtschaftssystem größer oder schneller als im anderen aus. Trotz aller Unterschiede im Detail können wir jedoch festhalten, dass Konsumstreben in aller Regel zu Effizienzsteigerung führt. Der Kausalzusammenhang lässt sich wie in folgender Grafik darstellen:

Konsumstreben

Effizienzsteigerung

Konsumwachstum

Konsumstreben verursacht also Effizienzsteigerung, und diese verursacht mehr Konsum. In dieser Kausalkette mag man dem Anfangslied (Konsumstreben) wie auch dem Endglied (Konsumwachstum) kritisch gegenüberstehen. Konsumstreben ist oftmals ein ungutes Streben, in dem der Mensch nicht in sich ruht sondern nach Ablenkungen sucht. Im Konsumwachstum erreicht dieses Streben ihr ersehntes Ziel, oder auch nicht wenn der Konsum enttäuscht statt befriedigt.

Effizienzwachstum stellt das Zwischenglied dieser Kausalkette dar; es ist sowohl Folge eines oft unguten Strebens als auch Ursache eines oft unguten Phänomens. Effizienzsteigerung ist nicht „in sich“ gut oder schlecht, aber es ist eingebunden in einen kausalen Mechanismus, dessen Anfang und Ende durchaus ungut sein können – aber nicht müssen, denn wir wollen Konsum nicht rundweg verteufeln und wollen weder den Genuss guten Essens noch elementare menschliche Bedürfnisse zum Feind Innerer Nachhaltigkeit erklären.

Effizienzsteigerung ist also eine Begleiterscheinung problematischer Züge der Gesellschaft. Ist somit Effizienzsteigerung selbst mit zu verurteilen? Ist der Hehler so schlecht wie der Stehler? Diese Frage wollen wir offen lassen. Im nächsten Abschnitt wird Effizienz jedenfalls in einem wesentlich positiveren Licht erscheinen.

4. Nachhaltigkeit und Effizienz

Nicht nur Konsumstreben sondern auch das Streben nach nachhaltigen, ressourcenschonenden Produktionsprozessen wirkt sich effizienzsteigernd aus. Warum? Der Mechanismus ist interessanterweise das genaue Gegenstück zum Mechanismus, über den Konsumstreben die Effizienz steigert. Denn diesmal steigt die Effizienz nicht über die Erhöhung des Outputs, sondern über die Verringerung des Inputs. Ein Bruch – hier Output dividiert durch Input – steigt bekanntlich nicht nur, wenn man den Zähler erhöht – d.h. wenn der Produktions-Output steigt – sondern auch wenn der Nenner sinkt – d.h. wenn man ressourcenschonender produziert. Das Streben nach mehr Nachhaltigkeit in der Produktion führt also zur Effizienzsteigerung, diesmal über eine Verringerung im Nenner der numerischen Größe „Effizienz“. So kann zum Beispiel dasselbe Auto unter Verwendung von weniger Material- oder Energie-Input produziert werden, eine Effizienzsteigerung.

5. Fazit

Es ist deutlich geworden, dass man die Erhöhung wirtschaftlicher Effizienz weder pauschal verurteilen noch begrüßen kann. Effizienzsteigerung ist Mittel zu begrüßenswerten wie problematischen Zielen, denn sie kann sowohl einer ressourcenschonenden Produktion wie auch eines gesteigerten Konsumrauschs dienen.

Müssen wir also als Ergebnis dieser kurzen Abhandlung unschlüssig bezüglich der Bewertung von Effizienz bleiben? Ich denke dies nicht. Ich denke, man sollte Effizienzsteigerung in der Regel begrüßen, trotz ihrer kausalen Rolle im Konsumrausch moderner Gesellschaften. Ich denke nämlich, dass die Auswüchse der Konsumgesellschaft auf anderem Wege begrenzt werden sollten als einem künstlichen Verzicht auf Effizienz in der Produktion. Wie könnten diese anderen Wege aussehen?

Einerseits könnte ein erhöhtes gesellschaftliches Bewusstsein für innere wie gesellschaftliche Nachhaltigkeit den Konsumrausch selber bremsen, ohne ihn durch Effizienzverzicht künstlich zu bekämpfen. Dieses Ziel stellt Herausforderungen an das Bildungssystem, den gesellschaftlichen Diskurs, die Presse, Glaubensgemeinschaften, Stiftungen und andere Glieder der Gesellschaft, die alle an der Bewusstseinsbildung in Menschen mitwirken.

Andererseits könnte man über ein verändertes Steuersystem den Konsum in gewünschter Weise beeinflussen und umlenken. Konkret müssten umweltschonende und nachhaltige Formen des Konsums steuerlich gefördert und andere Formen steuerlich belastet werden. Ich denke hier insbesondere an ein differenziertes Mehrwertsteuersystem, das Güter in unterschiedliche Klassen einteilt und je nach der Klasse unterschiedlich besteuert. Schwieriger umzusetzen aber im Prinzip interessant wäre auch ein gestaffeltes Mehrwertsteuersystem, in dem etwa auf das zweite Auto mehr Steuern als auf das erste Auto erhoben werden, und auf das dritte noch mehr, um die Zahl der Autos pro Haushalt zu begrenzen. Eine solche Form der Begrenzung hat gegenüber Verboten den Vorteil, keinen direkten Zwang zu enthalten: es bleibt erlaubt, drei oder zwanzig Autos zu fahren – eine nicht-totalitäre Weise, ethisches Verhalten nahe zu legen.


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