Liebes Tagebuch- Meyer&Meyer: Santa, Bilanz und weitere Dilemmata


Liebes Tagebuch,

jetzt fängt bald die Challenge so richtig an. 1 Monat kein Zeug, wie von good:matters // goods:don’t angeregt. Vor dieser Challenge habe ich eigentlich gar nicht so viel Angst. Was mich dafür arg beschäftigt, ist, wie schon bei unserem Chat zum Sonntag No.4 angedeutet, die anstehende Bilanz meines normalen Lebens diesen Monat. Mir ist es ein wenig peinlich, vor allem die Offenlegung meiner Lebensmittelausgaben, die doch ziemlich üppig ausfallen. Ich falle wahrscheinlich genau unter die 20%-Randgruppe, die sich Bio gut und gerne ohne Verzicht leisten können. Die Öko-Tante, also ich, hat ja leicht reden in Sachen Konsum. Puuh, was werden die Leute denken, meine (Schwieger-)Familie und,und, und? Allgemein bilanziere ich sowieso ungern, habe es eigentlich nie wirklich getan, ja selbst Notizen in der Uni waren nie meine Stärke. Fast so als würde der Zauber durch Zahlen brechen. Irrationalerweise kommt es mir irgendwie genau so vor.

Und jetzt das Design(en) meines Lebens so öffentlich kundzutun? Aber hey, genau das wollen wir ja schließlich mit Meyer&Meyer tun,oder? Kommunikation, ein „Wir entwickeln und schauen,wo das Ich ist“, persönliche Formen der Nachhaltigkeit designen. Formen, die mich als Person in der Umwelt umfassen. Ja, wo ist mein Platz?

Wo fange ich an? Ach ja, persönliche Nachhaltigkeit. Für mich ist ein wichtiger Aspekt persönlicher Nachhaltigkeit, Zeit zu haben. Wenn ich nicht Essen gehen könnte (meistens bio-regionale Restaurants) oder niemanden hätte, der mir im Haushalt unter die Arme greift, würde mir wirklich etwas fehlen. Nicht, dass ich es nicht anders könnte, aber das ist ein Bereich, in dem ich den Verzicht fühlen würde. Ja, ja, das sind die Probleme eines Luxus-Ökos mit großem Hang zum Chaos. Bisher bedeutet für mich ein nachhaltiges Leben die Suche nach der für die Umwelt und mich besten Alternative. Der Frage also: Was brauche ich, was nicht, was möchte ich wirklich, was eigentlich nicht? Diese Fragen berreichern mich ungemein und sind eng mit meinen Sinnfragen verbunden. Nicht, dass ich sie immer sinnvoll und richtig beantworten kann. Aber… zum Glück schreibe ich ja hier keine Prüfung im besonders toll sein. I am just trying.

Es gab auch Jahre, in denen ich einfach so herumshoppte und das meiste hinterher gar nicht brauchte. Kaufhäuser und auch Supermärkte mag ich mittlerweile gar nicht mehr, zu unpersönlich, irgendwo lieblos. Ich vermisse sie auch gar nicht, aber sie mich wahrscheinlich auch nicht so sehr. Fair enough! Es gab allerdings auch eine Zeit, als ich anfing, mich mit dem Thema auseinander zu setzen und vor Verzweiflung aktivistisch weder die Umweltsünden meiner Nächsten – und seien wir ehrlich: auch nicht meine eigenen – ertrug. Und da vermisste ich doch einiges, eigentlich vermisste ich ständig irgendetwas. Bald merkte ich dann, dass das so natürlich nicht geht. Ab und an packt mich auch jetzt ein Spareribs-Hunger und den erfülle ich mir dann auch. Normalerweise kaufe ich aber brav bio, regional und saisonal ein, koche viel vegan, und achte stark darauf, dass ich unnötige Verpackung einspare. Soja mag ich gar nicht, schon gar nicht diese Fleischersatzprodukte. Entweder ein richtiges Steak oder gar keins! Milch und Sahne kann ich dafür gut mit Dinkel- oder Haferprodukten ersetzen. Ich ersetze da, wo es für mich keine Qual ist. Z.B gibt es bei uns, wenn es mal richtig gut sein soll, auch mal eine Carbonara mit Speck, Ei, Pecorino und Hafersahne. Jedes emissionsintensive Bißchen, das man spart, ist etwas und so möchte ich das für mich sehen. Ich glaube, dass genau dieser Ansatz mir geholfen hat, viel weniger Bedürfnisse zu haben, als zu meiner Sturm-und-Drang Zeit.

Ich liebe weiterhin Samt und Seide, gute Schnitte und Stoffe. Ich muss ein bißchen mehr meine Augen offen halten, aber das Resultat lohnt sich und ich bin mittlerweile ziemlich geübt darin, zu finden, was mir steht. Ich wertschätze meine Goodies jetzt auch ganz anders. Eigentlich fehlt nur noch, dass ich meinen Sachen Namen gebe. (So weit ist es aber noch nicht, also keine zu grossen Sorgen um meine Geisteszustand!). Es gibt auch immer mehr kleine Geschäfte, die Kleidung upcyclen. Ich liebe das, wenn alte Stoffe so wiederverwertet werden. Wenn man sich die schon seit längerer Zeit immer wieder auftauchenden Berichte zu Schadstoffen in Kleidung von Babys und Erwachsenen gleichermaßen anschaut, dann tue ich mir, meiner Tochter und nicht nur der Umwelt einen großen Dienst, vorgeliebte Dinge zu erwerben und weiterzulieben, mal abgsehen von dem Faktum, dass nicht neue Rohstoffe zur Produktion verwendet werden müssen. Auch technische Geräte und Spielzeug kaufe ich meistens gebraucht. Und wenn das nicht geht, in einer hochwertigen, langlebigen Variante. Murks – nein danke! – so heisst auch eine interessante,empfehlenswerte Initiative, die ich ein wenig bei Facebook mitverfolge. Stimmt völlig. Hah, und jetzt ertappe ich mich dabei, dass es mir ein wenig peinlich ist, zuzugeben, dass ich, ausser ein paar Basics wie Unterwäsche bei Hessnatur und Co, kaum mehr neue Sachen kaufe. Komisch, oder? So ähnlich geht es mir, wenn ich im Restaurant nach einer Doggy Bag frage. Peinlich irgendwie… aber auf der anderen Seite wäre ich traurig, wenn ich die Reste eines köstlichen Gerichts dann später nicht noch einmal zu Hause geniessen dürfte und sie womöglich ungetrennt mit anderem Abfall böse Gase entwickeln.

Jetzt kommen wir zum Reisen. Erst bei einem Urlaub in Auhausen, dem kleinen Dörfchen, aus dem unsere „inspirierte Stephanie“ kommt, merkte ich, dass ich mich das erste Mal in einem Urlaub so richtig erholt habe. Und ich merkte, dass mich, vor allem lange Flüge, eigentlich auch die Kurzen, ziemlich schlauchen. Oh, und dass das auch noch Emissionen spart, hat mich da natürlich noch einmal mehr erfreut. Ich liebe diese nachhaltigen Kreisläufe. Oft merke ich, dass das, was gut für die Umwelt ist, für mich gleich dreimal so gut ist (das sage ich so Pi-Mal-Daumen). Ich bin seit 2012 nicht mehr geflogen, was ganz schön viel heisst, wenn man bedenkt, dass ich davor bestimmt 4-5 Mal im Jahr „return“ geflogen bin.  Mit dem Zug geht´s mir viel besser. Ja, teilweise dauert´s länger, aber Zwischenhalte in interessanten Städten versüßen mir die Zeit. Glücklicherweise lassen sich die meisten meiner Ziele für mich innerhalb von maximal 6 Stunden erreichen, oder zumindest mit einem Zwischenstopp in Paris von Norwich aus. Im Moment habe ich die Zeit. Ich werde aber auch mal irgendwann wieder nach Indien, in meine zweite Heimat fliegen. In diesem Fall würde es mich zu arg schmerzen, darauf zu verzichten, mein Ursprungsland ab und an zu besuchen. Aber ein Urlaub, z.B. im Naturhotel Mohren am Bodensee, jetzt ganz ohne Schleichwerbung, ist einfach nur himmlisch. Da stimmt für mich einfach nur jedes Detail: ein kleiner, aber feiner Wellness-Bereich mit bester Naturkosmetik, die Zimmer wunderschön, die Küche zum Niederknien, nettes Personal, wundervolle Natur… ach, ich freue mich so darauf, bald wieder hin zu fahren. Verzicht ist das ganz und gar nicht. In der Zeit eines Fluges, sagen wir mal, nach Asien, gestresst, relativ beengt und angenervt, habe ich dort schon eine Massage genossen, geschlafen, gegessen und bin ein wenig herumspaziert.

In erster Linie hat mich also der Faktor Nachhaltigkeit bereichert. Mein Leben ist sinn- und genussvoller, denn ich sehe mittlerweile mehr in dem, was ich konsumiere. Ich nehme durch die Second Hand Goodies und Bio-Lebensmittel weniger Schadstoffe zu mir und spare durch die Nahziele als Urlaubsorte Zeit, Stress und Geld, lebe allgemein gesünder und zufriedener – und reduziere gleichzeitig meinen negativen Impact. Good Karma noch gratis dazu – wie schön! Vielleicht bescheinigt mir das jetzt auch KarmaKonsum. Ich bin riesig gespannt, auf all die neuen Erkenntnisse über mich und die Umwelt, neue Bekanntschaften mit interessanten Persönlichkeiten und überhaupt gedankliche Vernetzungen, die uns dieser Selbstversuch noch bescheren wird. Anna, meine Anna, wie geht es dir gerade bei all dem hier?

Mit den besten Grüßen,

eure Santa

 


 

tt30-logoWeitere Infos und jede Menge Interaktion findet Ihr auch auf der Facebookseite „Die Nachhaltigkeitschallenge 2014„, über Twitter unter @Finding_S und über den Blog der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome. Und ja, einen Hashtag gibt’s auch:#FS_NC14

 


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