Ein gutes veganes Leben. Interview mit Susanne Schwan


Liebe Susanne!

Ich gebe zu, in meiner kleinen Welt mit einer doch recht großen Zahl an Freunden und Bekannten, bist Du meine einzige tatsächliche Inspirationsquelle für ein veganes Leben! Denn ich erlebe Dich als positiven Menschen mit Prinzipien – eine großartige Mischung.

Santa und ich haben „da draußen“ eine Gruppe von Lesern, die sich diesen Monat zum vielleicht ersten Mal mit dem Thema Veganismus beschäftigen. Und Einblicke in Dein Leben sind uns höchst willkommen! Wir bedanken uns also schon ganz herzlich im Voraus, dass Du uns für ein kleines Interview zur Verfügung stehst.

Also, los geht’s!

 

susanne schwan

Anna: Seit wann lebst Du eigentlich vegan?

Susanne: Inzwischen ungefähr seit vier Jahren und seit fast 20 Jahren vegetarisch. Im Alter von zehn Jahren habe ich entschlossen, keine Tiere mehr zu essen.

Anna: Gab es einen Schlüsselmoment oder war es eher eine schleichende Entwicklung?

Susanne: Es war eher eine schleichende Entwicklung. Ich esse wie gesagt kein Fleisch mehr seit ich zehn Jahre alt bin. Mich vegetarisch zu ernähren war damals eher eine „Klein-Mädchen Entscheidung“. Ich mochte Tiere sehr gern, hatte selber Meerschweinchen, Kaninchen und ein Pflegepferd und hatte schon damals großen „Weltschmerz“. Ich war sauer auf Menschen, die Tiere quälten und töteten – vor allem auf Walfänger. Und mich hat die Umweltverschmutzung sehr besorgt, auch wenn ich damals noch keinen Zusammenhang zwischen Fleischkonsum, Umweltverschmutzung, Klimawandel und Welternährung gesehen habe. Damals habe ich allerdings noch Käse, Milch und Ei gegessen. Manchmal sogar die Soße um das Fleisch herum, aber das habe ich sehr schnell aufgegeben. Das Eieressen auch. Ich habe mich also lange lakto-vegetarisch ernährt (also Milchprodukte, aber kein Ei, Fisch oder Fleisch). Der Konsum von Milchprodukten wurde mit der Zeit immer weniger. Ich habe mich mehr mit dem Thema beschäftigt – auch mit den negativen Auswirkungen für die Umwelt und die Ernährungssituation in anderen Ländern. Es wurde also immer mehr eine „Umweltentscheidung“ und hatte nicht mehr ausschließlich was mit Tierquälerei zu tun. Für mich habe ich dann entschieden, dass der Konsum von Milchprodukten ebenfalls nicht mit meinen ethischen Vorstellungen vereinbar ist. Und dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Die schlechten Haltungsbedingungen und die Ausnutzung der Tiere  – je nach Biostandard mehr oder weniger schlimm, die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Klima, aber auch die Auswirkungen unserer Landwirtschaft (und damit meine ich die landwirtschaftliche Produktion der Industrieländer) auf die Ernährungssituation in Entwicklungsländern. Diese beschränken sich allerdings nicht nur auf die Produktion von Fleisch- und Milchproduktion, aber diese verursachen wohl insgesamt den größten Schaden.

Anna: Wer oder was hat Dich aufgeschreckt? Oder inspiriert?

Susanne: Damals mit zehn hatte ich eine sehr gute Freundin, mit der ich zusammen entschieden habe, Vegetarier zu werden. Sie lebt inzwischen auch schon deutlich länger vegan als ich. Allerdings hatte sie keinen Einfluss auf meine Entscheidung Veganer zu werden. Ich kann gar nicht sagen, dass es eine bestimmte Entwicklung oder ein bestimmtes Ereignis war, das mich aufgeschreckt hat. Es gab auch keine Person, die mich besonders inspiriert hat. Ich kenne bis heute nicht viele Veganer – leider. Aber es werden immer mehr, auch in meinem Bekannten- und Freundeskreis und zwar nicht nur aus ethischen Überlegungen oder aufgrund der negativen Folgen für die Umwelt, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen. Zu dieser Bewegung haben die Kochbücher von Attila Hildmann meiner Meinung nach viel beigetragen und ich finde es sehr bemerkenswert, dass er mit der „Gesundheitsschiene“ deutlich mehr Menschen erreicht als Umwelt- oder Klimaschützer. Wahrscheinlich weil es vielen Menschen leichter fällt Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die eigene Gesundheit auswirken (und laut Aussagen meiner Bekannten hat es tatsächlich spürbar positive Auswirkungen. Wie ist das bei Euch?) als solche, die eben gut für andere sind. Klimaschutz ist ziemlich abstrakt und die Ernährungssituation in anderen Ländern ist sehr weit weg.
Aber zurück zur Inspiration: Mich hat weder Attila Hildmann inspiriert noch Jonathan Safran Foer mit seinem Buch „Tiere Essen“. Ich habe keines dieser Bücher gelesen und ich glaube, die meisten sind erst erschienen, als ich bereits vegan gelebt habe. Aufgeschreckt haben mich eher die Fakten über unsere landwirtschaftliche Produktion, wie der extreme Flächenverbrauch, den die industrielle Milchproduktion erfordert und zwar vor allem in Entwicklungsländern, in denen riesige, oft ursprünglich bewaldete Flächen der Sojaproduktion zum Opfer fallen (und hier möchte ich gleich dazu sagen, dass es nicht die Sojabohnen für meine Sojamilch sind – die kommen aus Österreich oder Italien), oder der ökologische Fußabdruck von Käse, der oft größer ist, als der von Fleisch. Ich habe für mich erkannt, dass es nur konsequent ist, vegan zu leben, da die Gründe, die mich bewegt haben Vegetarier zu werden, eben nicht bei den ethischen Überlegungen zum Töten von Tieren aufhören. Und die anderen Gründe gelten eben für alle tierischen Produkte gleichermaßen. Aber zugegeben, ich war nie ein großer Käse-Fan und der Verzicht darauf fällt mir einfach überhaupt nicht schwer. Sicher auch, weil ich keinerlei gesundheitliche Probleme habe. Ich bin im Gegenteil sehr viel gesünder als der Durchschnitts-Deutsche.
Was mich tatsächlich inspiriert ist Ahimsa – das Konzept der Gewaltfreiheit, welches sich im Buddhismus, Jainismus und Hinduismus wiederfindet. Eigentlich in allen Religionen, aber die Auslegung ist hier eine andere. Ich bin allerdings überhaupt nicht religiös – vielleicht ein bisschen spirituell. Und mir ist auch klar, dass nicht mal die Jainisten Veganer sind – auch wenn sie sich um alle Lebewesen, auch Insekten und Mikroben sorgen. Meine Auslegung von Ahimsa schließt aber den Verzicht auf jegliche Art von tierischen Produkten mit ein.

Anna: Wir haben uns nun für einen komplett veganen Monat entschieden. Wie wir dieses Leben weiterführen werden oder nicht, steht noch in den Sternen. Wie ist es bei Dir? Für immer vegan? Oder nur so lange die Strukturen der Lebensmittelindustrie sind wie sie sind?

Susanne: Sag niemals „nie“. Heute kann ich mir nicht vorstellen, je wieder Ei, Käse oder Milch zu essen aber ich kann nicht in die Zukunft sehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich niemals wieder Fleisch essen werde, und gehe auch davon aus, dass Milchprodukte nie wieder einen wichtigen Stellenwert in meiner Ernährung einnehmen werden. Genauso gehe ich davon aus, dass sich die Strukturen unserer Lebensmittelindustrie in naher Zukunft nicht ändern werden, wahrscheinlich auch nicht mal mittel- oder langfristig – leider. Aber ich trinke auch keine Milch von angeblich glücklichen Kühen. Da aber die wahrscheinlich gesündeste Ernährungsform eine streng vegetarische (also kein Ei, kein Fisch, kein Fleisch) mit wenig Milchprodukten (deutlich weniger als uns die Werbung Glauben machen will – dafür ist der menschliche Körper nicht gemacht) ist, will ich nicht ausschließen, dass ich es nie wieder esse. Gut möglich ist es aber.

Anna: Was macht Dich stolz?

Susanne: Dass es mir inzwischen egal ist, was andere denken. Man eckt als Veganer interessanter Weise öfter an als man denkt. Und dass ich immer weiter versuche, nachhaltiger zu leben. Ernährung ist ja nur ein Teil davon – Ihr probiert ja gerade verschiedene Facetten des nachhaltigen Lebens aus. Ich versuche auch immer ein neues Puzzleteil hinzuzufügen: Klamotten, Mobilität, regionale und saisonale Lebensmittel (das gilt für viele vegane (Fertig-)Produkte leider nicht), müllfreierer Haushalt. Das ist viel schwieriger als vegane Ernährung, denn nicht mal Bioläden sind in Sachen Verpackungen deutlich besser als andere Supermärkte.

Anna: Was nervt?

Susanne: Leute, die fragen, warum ich vegan lebe und die Antwort eigentlich nicht hören möchten. Einige Leute fühlen sich anscheinend angegriffen, wenn ich ihnen meine Beweggründe erläutere. Wahrscheinlich empfinden sie es als Vorwurf gegen ihre eigene Ernährungsform. Akzeptiere mich wie ich bin oder lass‘ es – ich akzeptiere auch alle anderen Ernährungsformen. Es geht ja gar nicht darum, dass sich die ganze Welt vegan ernähren soll. Ein bisschen mehr nachdenken und ein bisschen weniger tierische Produkte – damit wäre schon viel erreicht.
Als ich begonnen habe vegan zu leben, hat mich auch genervt, dass Freunde und Verwandte es als so schwierig empfunden haben. Was kochen, wenn Susanne zu Besuch kommt? Was einkaufen? Inzwischen wissen die meisten, dass ich von niemandem erwarte, dass er irgendetwas extra für mich macht. Ich freue mich auch über Beilagen und esse gerne Obst oder Nüsse, wenn andere Kuchen essen. Viele entschuldigen sich auch oder sagen: „Oh, das tut mir leid, Du kannst das ja gar nicht essen!“ Ich KANN alles essen. Ich WILL es nur nicht. Also brauche ich auch kein Mitleid. Umgekehrt haben aber auch einige die vegane Küche durch mich entdeckt und überraschen mich immer wieder mit sehr leckeren Gerichten – meine Schwiegereltern zum Beispiel.

Anna: Welche Fragen könnten sich Andere sparen?

Susanne: „Würdest Du Milch trinken oder Eier essen, wenn Du eine eigene Kuh hättest oder Hühner, die frei auf dem Hof herum laufen und ein glückliches Leben führen?“ Diese Frage ist einfach absolut theoretisch. Ich kenne die Antwort nicht, weil diese Situation nie eintreten wird. Außerdem kann ich die Kuh nicht fragen, ob sie ein glückliches Leben führt. „Wenn Du auf einer einsamen Insel wärst und Du verhungern würdest, wenn Du kein Fleisch essen würdest, würdest Du es dann essen?“ Die Frage ist genauso bescheuert, wird aber tatsächlich gefragt. Ansonsten: Nur Fragen, wenn Ihr mit den Antworten leben könnt.

Anna: Gibt es ein Buch oder eine Internetseite, sozusagen als Nachschlagewerk? Basic literature to recommend?

Susanne: Hm, zugegeben, ich lese nicht viel über Veganismus. Ich lese auch nicht viel über Ernährung, das habe ich lange bevor ich Veganer wurde gemacht. Wer ein paar Fakten über Fleischkonsum lernen möchte, sollte den Fleischatlas lesen. Wer sich vegan ernähren möchte, aber nicht viel über ausgewogene Ernährung weiß, sollte sicher auch mal ein Buch in die Hand nehmen. Leute, die eher was über die gesundheitlichen Aspekte, nicht aber über die ethischen und ökologischen Gründe erfahren wollen, können auch mal ein Buch der Reihe Vegan for Fit, Fun, Youth und wie sie alle heißen von Attila Hildmann in die Hand nehmen (allerdings erzählt er sehr viel über sich selbst und bildet sich auch selber gerne auf Bildern ab, aber das kann vielleicht ganz inspirierend sein, wenn man seine Ernährung umstellen möchte). Für bewusste Verbraucher oder solche, die es werden sollen, empfiehlt sich der Film Earthlings. Der Fokus liegt hier zwar auf den USA, aber die Realität in Europa sieht nicht viel anders aus. Wer sich danach entscheidet, nicht nur vegan zu essen, sondern auch keine Lederprodukte mehr zu kaufen, wird bei Avesu fündig. Und wer keine Lust hat, etwas zu lesen, sondern einfach lecker vegan zu essen, kann sich auf speziellen Seiten von Peta oder Vebu informieren.

Anna: Und holst Du Dir irgendwo neue Inspirationen, z.B. in Blogs?

Susanne: Du meinst wahrscheinlich für neue Rezepte und Gerichte? Im Internet so gut wie nie. Ich blättere gerne in Kochbüchern und zwar nicht nur in Veganen, sondern auch in Vegetarischen. Die große Mehrzahl vegetarischer Gerichte kann man sehr einfach vegan kochen, das gilt auch für Kuchen und Süßspeisen (Ausnahme: Gerichte, die mehr als zwei Eier enthalten ;-)). Inspiration für Neues bekomme ich aber vor allem auch von meinen Mann, der sich weder vegan noch vegetarisch ernährt. Das klingt absurd, ist aber einfach zu erklären: Fabian kocht gerne und viel besser als ich und wir kochen gerne zusammen. Da Fabian tendenziell eher etwas fehlt, wenn wir nur Gemüse verarbeiten (das ist meine einfache Art zu kochen und mit ein paar Nüssen, Tofu oder Humus bin ich damit rundum zufrieden), ist er der deutlich kreativere vegane Koch. Wir haben inzwischen aber auch eine ganze Reihe sogenannter „Konsensgerichte“, also Gerichte, die in der Basisversion vegan sind, aber leicht zu einem vegetarischen oder sogar einem „Omnivor“-Gericht umgewandelt werden können, in dem man zum Beispiel Käse, Fisch oder Fleisch separat dazu macht.

Anna: Was ist Deiner Meinung nach das hartnäckigste Märchen über Veganer?

Susanne:  Glücklicherweise ist mit vielen Märchen inzwischen aufgeräumt. Veganismus ist inzwischen nicht mehr unbekannt – in den Großstädten Deutschlands sogar ein Trend. Allerdings gibt es immer noch einige: „Als Veganer kann man fast nichts mehr essen.“ „Vegane Ernährung ist teuer.“ „Als Veganer kann man nicht mehr Essen gehen“. „Veganer schlucken Eisen- und Vitamintabletten“.
Um diese Märchen ebenfalls aus dem Weg zu räumen: Als Veganer lernt man auch viel Neues kennen und addiert mindestens genauso viele Lebensmittel zum Speiseplan dazu wie man aus dem Speiseplan streicht. Und zur Überraschung der Fastfood-Fans gibt es auch Burger, Pizza, Pasta, Eis und Schokolade. Man muss nur wissen, wo oder wie und ob man überhaupt Fastfood essen will. Ich will es nicht.
Wenn man wollte, könnte man auch als Veganer bei ALDI und Co einkaufen. Auch da gibt es Obst, Gemüse, Getreide und sogar Tofu und Sojamilch. Ich gehe allerdings davon aus, dass ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Veganer und Vegetarier ökologische Lebensmittel bevorzugt. Wenn man Bio isst, ist eine vegetarisch/vegane Ernährung oft sogar günstiger: gutes Bio-Fleisch ist und muss teuer sein! Essen in Deutschland ist sowieso extrem billig – leider. Keiner in Europa gibt so wenig Geld für Essen aus wie wir (Für Interessierte: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/die-ernaehrung-der-deutschen-schluss-mit-der-geschmacklosigkeit-11680616.html).
Es stimmt, dass in einigen Restaurants die Auswahl für Veganer extrem eingeschränkt ist (vor allem in der Deutschen, Skandinavischen und Französischen Küche). Abgesehen von den zahlreichen veganen Restaurants, die in Deutschlands Großstädten aus dem Boden sprießen, gibt es beim Italiener, beim Inder, beim Syrer, beim Türken, beim Japaner, beim Perser, beim Vietnamesen (Achtung! Nach Fischsoße fragen) und vielen anderen immer eine leckere Auswahl. Fragen kostet auch nichts. Meine Lieblingsküche ist die Orientalische und die Indische. Frühstücken gehen, ist, glaube ich, die schwierigste Angelegenheit. Gutes veganes Frühstück gibt es in „normalen“ Restaurants eher selten.
Ja, ich habe nach ca. drei Jahren begonnen Vitamin B12 zu schlucken. Mehr aber auch nicht und mein Blut weist absolut keine Mängel auf – ich bin im Durchschnitt eher gesünder als der Durchschnitt. Es gibt auch viele Vitamin-B12 angereicherte Lebensmittel. Den Wert sollte man allerdings tatsächlich manchmal überprüfen lassen, auch wenn man Vitamin B12 lange speichern kann. Ob man sich vegetarisch oder vegan ernährt, macht für den Eisenwert überhaupt keinen Unterschied. Eisenmangel tritt im Übrigen auch bei Omnivoren – vor allem bei Frauen – auf. Ich leide nicht darunter.

Anna: Woher nimmst Du die Kraft, so konsequent zu sein?

Susanne: Ehrlich gesagt, kostet es mich nicht viel Kraft. Wie gesagt, vermisse ich Milchprodukte einfach nicht und Fleisch und Ei schon gar nicht. Für Käseliebhaber ist es sicher deutlich schwieriger, auch wenn es extrem leckere Ersatzprodukte gibt – veganer Käse ist aber einfach kein Käse und zudem oft ein stark verarbeitetes, eher künstliches Produkt. Ich würde jedem empfehlen, sich eher neue kulinarische Freuden zu suchen, als nach dem perfekten Ersatzprodukt zu suchen.
Dazu kommt sicher auch, dass ich in einer Großstadt lebe, in der es inzwischen viele Restaurants mit veganem Angebot gibt. In kleineren Städten (außer vielleicht Studentenstädte, in denen das vegane Angebot meist auch sehr gut ist) gestaltet es sich sicher schwieriger.
Mich würde es heute viel mehr Kraft und Überwindung kosten, meine vegane Ernährung aufzugeben.

Anna: Und was sind überhaupt die Konsequenzen, die sich aus Deinem veganen Leben ergeben? Positive wie Negative.

Susanne: Die Positiven sind, glaube ich, sehr individuell. Da ich schon ewig vegetarisch gelebt habe, bevor ich Veganerin wurde, kann ich zum Beispiel nicht sagen, dass ich mich deutlich fitter und gesünder fühle, seit ich vegan lebe. Das berichten einige meiner Freunde, die direkt auf vegan umgestellt haben – sicher aber auch, weil man sich dann insgesamt bewusster und gesünder ernährt. Ich fühlte mich auch vorher fit und gesund und habe keine Unterschiede gemerkt. Für mich persönlich ist es wichtig, dass ich einfach keinen Beitrag mehr zu der Massentierhaltung und Tierquälerei leiste und dass mein ökologischer Fußabdruck deutlich geringer ist. Man kann sich als Veganer auch bei fast allen Lebensmittelskandalen entspannt zurück lehnen (EHEC war eine große Ausnahme). Zudem habe ich für mich das Gefühl, dass es weniger Widersprüche in meinem Leben gibt: Ich kann nicht auf der einen Seite die Politiker für das Versagen in der Umwelt- und Klimapolitik verantwortlich machen und auf der anderen Seite an meinem eigenen Verhalten nichts ändern. Zudem entdeckt man sehr viele „vergessene“ Lebensmittel, die in der Küche der meisten deutschen Haushalte überhaupt keine Rolle mehr spielen.
Negative Konsequenzen ergeben sich tatsächlich vor allem beim Einkaufen, beim Essengehen, beim Reisen und beim Freunde und Verwandte besuchen. Einkaufen dauert am Anfang unter Umständen länger, weil man die Zutatenlisten studieren muss. Mit der Zeit weiß man aber, welche Produkte vegan sind und welche nicht und lernt zudem viel über Ernährung. Biosupermärkte machen es einem aber sehr leicht, weil viele inzwischen vegane Produkte auszeichnen. In Berlin, Frankfurt und Hamburg gibt es inzwischen auch Veganz – eine vegane Supermarktkette. Und je weniger verarbeitete Lebensmittel man kauft, desto einfacher ist es. Beim Essengehen in Restaurants, die keine veganen Gerichte auf der Karte haben, muss man halt nachfragen. Das ist vor allem dann nervig, wenn das Servicepersonal nicht mal weiß, was vegan ist. Das ist aber zunehmend seltener der Fall. Richtig nervig ist es in Kantinen (also im Arbeitsalltag). Hier ist das Personal eher unfreundlich und wenig hilfsbereit und weiß zudem oft nicht, was in dem Essen überhaupt drin ist, obwohl ich gerade das erwarte, und auch für Allergiker sind dies natürlich wichtige Informationen. Auf Reisen innerhalb und außerhalb Deutschlands wird es ebenfalls komplizierter. Auf deutschen Bahnhöfen bekommt man so gut wie nie vegane Kost (nein, die meisten Brötchen sind übrigens auch nicht vegan – zumindest nicht, wenn sie nicht biologisch sind). Ich habe eigentlich immer „Notnahrung“ dabei – auf längeren wie auf kürzeren Reisen. Und bei internationalen Reisen kommt es natürlich sehr auf das Land an. Ich habe es bisher immer geschafft. Manchmal muss man dabei aber längere Gespräche und Erklärungen in Kauf nehmen, zum Beispiel wenn man in Indien freundlich eine Einladung zum Chai (Milchtee mit Gewürzen) ausschlägt oder einem Ugander erklärt, warum man kein Fleisch isst, obwohl man es sich doch leisten kann. Das Thema Freunde und Verwandte habe ich bereits angerissen: Hier hat man manchmal das Gefühl, dass man es für andere kompliziert macht oder dass sich Einladende schlecht fühlen, wenn der Gast nur Beilagen isst. Meine Empfehlung: Immer vorher sagen, dass man sich vegan ernährt und dass man kein veganes Menü erwartet. Das erspart den Gastgebern Enttäuschungen und viel Grübelei.

Anna: Kannst Du uns drei Überlebens-Tipps geben für die wirklich schweren Momente?

Susanne: (1) Notnahrung für unterwegs: Snacks auf dem Bahnhof oder an der nächsten Imbissbude werdet Ihr nicht finden. Und da Hunger schlechte Laune macht „be prepared“. Meine Favoriten sind Studentenfutter oder Trockenfrüchte, Obst und Babygläschen (Fruchtbrei mit Getreide). Der Umweg zum Biobäcker vor der Reise lohnt sich ansonsten auch. Und wer sich in der Döner- oder Würstchenbude nicht ekelt, kann auch hier immer noch Pommes, Falafel oder Couscous essen.
(2) Sucht Euch neue Lieblingsprodukte und versucht nicht den perfekten Ersatz für Käse, Ei und Fleisch zu finden. Ihr werdet ihn nicht finden und das kann frustrierend sein.
(3) Seid experimentierfreudig und probiert viel aus – auch wenn Seitan, Tempeh und Knollensellerie zunächst nicht besonders attraktiv aussehen: Es steckt mehr drin als man denkt.

Anna: Und drei Produkte, die Du vergötterst und die vielleicht noch nicht jeder kennt? Also ich habe ja VeggiBelle und Hafermilch für mich neu entdeckt. Und Avocado, obwohl die anderen wohl schon länger bekannt sind 😉

Susanne: VeggieBelle und Avocado sind super leckere vegane Produkte und auch bei mir weit oben auf der Liste. Worauf ich im Moment total stehe, ist (am besten selbstgemachte) Mandelmilch, den Natur-Sojajoghurt von Sojade und Mandel-Nuss-Tofu. Und Studentenfutteraufstrich von Eisblümerl – der ist wahnsinnig lecker im Sojajoghurt oder auf dem Frühstücksbrötchen. Und was es bei mir mindestens alle zwei Wochen geben muss: Hummus – gekauft oder selbstgemacht! Der macht mich genauso glücklich wie andere Schokolade und hat anscheinend tatsächlich ähnliche Wirkungen. Und zum Braten Sesamöl verwenden. Das gibt dem Gemüse oder Tofu eine leckere zusätzliche Geschmacksnote. Das waren jetzt schon mehr als drei :-).

Anna: Was würdest Du gerne ein für alle Mal klarstellen?

Susanne: Dass vegan sein nicht bedeutet, dass man keinen Alkohol trinkt (die Frage höre ich auch oft – ich trinke tatsächlich nicht viel, aber Alkohol ist im Prinzip vegan, auch wenn es viele Weine nicht sind); dass die Regenwälder nicht für die steigende Sojamilch- und Tofu-Nachfrage abgeholzt werden (auch das musste ich mir schon anhören); dass sich Veganismus nicht nur auf Ernährung beschränkt sondern konsequenter Weise auch Kosmetik und Klamotten einschließt; dass man als Veganer trotzdem nicht sofort alle Lederklamotten wegschmeißen muss, das wäre alles andere als nachhaltig, es sei denn man verschenkt, verkauft oder recycelt sie; dass der Mensch nicht schon immer Milch von Tieren getrunken hat; dass Milch keine müden Männer munter macht und dass Müdigkeit eher die Folge von einer fleisch- oder milchproduktlastigen Ernährung ist.

Anna: Tja, was lässt sich dem noch hinzufügen!? Vielleicht, dass es mir bisher ähnlich gegangen ist, zum Beispiel bezogen auf die vielen neuen Lebensmittel, die man kennenlernt – für jedes das man weglässt. Ach, ich könnte noch auf so vieles eingehen. Aber ich lasse es bei Deinen Worten und gehe mir den Studentenfutteraufstrich kaufen. Großartig, Susanne! Tausend Dank.

 


 

tt30-logoWeitere Infos und jede Menge Interaktion findet Ihr auch auf der Facebookseite „Die Nachhaltigkeitschallenge 2014„, über Twitter unter @Finding_S und über den Blog der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome. Und ja, einen Hashtag gibt’s auch:#FS_NC14

 

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