Was macht ein Buch nachhaltig: Interview mit Susanne Tiarks von Willegoos – SpendenAUKTION

Susanne Tiarks Willegoos Verlag

Liebe Susanne,

ich freue mich sehr, dass Du für ein Interview zur Verfügung stehst! Und ich bin mir sicher, dass unsere Leserinnen und Leser ebenso gespannt sind wie ich.
Erst einmal fragt sich wahrscheinlich so mancher: Wie können Bücher nachhaltig oder weniger nachhaltig sein? Okay, das Holz könnte aus mehr oder weniger nachhaltiger Forstwirtschaft stammen, aber sonst? Machst Du auch die Erfahrung, dass es quasi kaum ein Bewusstsein – auch nicht bei Ökos – für das Thema nachhaltige Bücher gibt?

Nun, was bedeutet der Begriff nachhaltig denn im eigentlichen Sinn bei einem Produkt? Die meisten werden antworten: Irgendwie gut eben. Und wie ist das dann mit Büchern? Ein Buch wird nämlich in der Regel per se als „gut“ bewertet. Es steht erst einmal nicht im Verdacht, ein schlechtes Produkt zu sein und hat nicht das Image von weichmacherverseuchtem Babyspielzeug oder Billigklamotten aus Sweatshop-Produktion – Themen, die inzwischen in aller Munde sind, nicht nur bei Ökos. Nein, vordergründig haben Bücher ein gutes Image.

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Stimmt! Das sehe ich genauso. Bücher verbinde ich einfach mit einem rundum positiven Erlebnis. Was kann nun aber vielleicht doch schlecht oder eben besser sein an einem Buch?

Der Begriff der Nachhaltigkeit bezieht sich beim sogenannten Green Publishing nicht auf das Konzept Buch an sich, den Inhalt, die Software sozusagen, sondern es geht um das Produkt Buch und seine Herstellung. Es geht um die Hardware, bestehend aus Papier, Druckfarbe, Einband, Folien. Gleichwertig ist bei der Definition von Nachhaltigkeit auch die ökonomische sowie die soziale Komponente zu betrachten – der Fertigungsprozess mit allen Menschen, die daran beteiligt sind, von den Autoren bis zu den Druckereimitarbeitern.

Und was ist da bei Euren Büchern anders als bei anderen Büchern?

Wie bei einer Bio-Tomate und einer Tomate aus konventionellem Anbau ist es nicht der Unterschied auf den ersten Blick, der sich aufdrängt, der Unterschied liegt im Wissen um die Produktion und die damit verbundenen Auswirkungen. So ist es auch bei Büchern. Man kann Bücher mit Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft oder anderen nachhaltigen Quellen herstellen, sie mit Farben bedrucken, die keine potenziell krebserregenden Azofarbstoffe und Mineralölanteile enthalten, oder auf Lösungsmittel in technisch notwendigen Lacken sowie auf Folienüberzug aus nicht abbaubaren und beim Verbrennen problematischen Materialien verzichten. Oder eben nicht. Man kann Druckereien als Partner wählen, denen Umwelt-, Sozial- und Arbeitsstandards für ihre Produkte und Mitarbeiter wichtig sind. Oder eben nicht. Man kann Illustratoren, Grafiker, Autoren und alle am Büchermachen Beteiligten fair behandeln und bezahlen. Oder eben nicht.

Und Ihr achtet auf alle diese Aspekte?

Als Verlagsleiterin bemühe ich mich, die angesprochene Hardware des Produkts samt Produktionsprozess zu verstehen und unter Nachhaltigkeitsaspekten zu bewerten. Dann werden entsprechende Konsequenzen gezogen. Nehmen wir das Beispiel Druckerei. Ich besuche Druckereien, mit denen Willegoos zusammenarbeiten möchte, grundsätzlich vorher und sehe mir an, ob die auf der Webseite angepriesenen umweltschonenden Produkte, Techniken und Standards auch tatsächlich eingesetzt bzw. umgesetzt werden. Das Internet kann lügen, eine Produktionshalle ermöglicht schon einen tieferen Einblick. Hier kann ich auch soziale Aspekte der Unternehmenskultur ansprechen und ablesen. Auch sollten die Transportwege der fertigen Bücher möglichst kurz sein und so wird in Deutschland oder in manchen Fällen in der EU produziert. Fehlende Umwelt-, Arbeits- und Sozialstandards sowie extrem weite Transportwege sind mir bei Billigproduktionen in Asien einfach suspekt, vieles kann ich auch selbst nicht überprüfen, was ich aber gerne möchte.

Siehst Du eine Tendenz, dass sich vielleicht doch mehr Bewusstsein in der Gesellschaft entwickelt?

Bio-Lebensmittel, fair hergestellte Mode und die Idee, mit Stoffbeuteln statt Plastiktüten einzukaufen sind schon im Bewusstsein der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Je mehr wir wissen und hinterfragen, Dinge und tradiertes Handeln neu und zu Ende denken, desto mehr wird Bewusstsein für die Konsequenzen des eigenen Konsums entstehen. Die Medien spielen eine wichtige Rolle, ebenso das Internet mit vielen Blogs und Seiten zum Thema. Wie ‚FindingSustania‘ zum Beispiel. Und auch Internet-Shops mit nachhaltig produzierten Produkten. Das sind gute und begrüßenswerte Entwicklungen. Wichtig für mich persönlich ist das, was ich selber tun kann.


Oh ja, wir finden auch, dass jeder mit seinem Konsumverhalten eine Menge bewegen kann. Aber wie kamst Du dazu, Dich selbst mit dem Thema nicht nur als Kunde zu beschäftigen, sondern sogar einen eigenen Verlag zu gründen?

Der Verlag ist 2010 nicht mit dem Gedanken entstanden, „grüne“ Bücher zu machen. Bücher und Verlage spielten in meinem Leben schon lange eine Rolle: Ich habe in Verlagen und für Verlage gearbeitet, u. a. als Übersetzerin, und bin mit einem wunderbaren Verlagsmenschen verheiratet, außerdem lese ich für mein Leben gern. Dann bin ich das, was man einen „kreativen Macher“ nennt, entwickle gerne Ideen und setze Dinge in Bewegung. Kinderbücher zu verlegen war bei einer bücherverrückten Mutter mit zwei Kindern irgendwie klar. Aber ich habe auch durchaus noch andere Programmsparten im Hinterkopf.

Zum Beispiel?

Von Kinderbüchern zu Elternbüchern ist es auch nicht weit. Ich habe Ideen zum Thema „Green Parenting“ oder für Sachbücher, die Wege aufzeigen können, wie Eltern eigene und gesellschaftlich tradierte Zwänge und Dogmen, unter denen viele leiden, abschütteln können. Bücher für „Minimalismus-Eltern“ sozusagen.

Das gefällt uns! Lass uns unbedingt an diesen Ideen weitersticken. Ach ja, zurück zu Deinem Weg … Wie kam Willegoos zum Thema Nachhaltigkeit?

Neben meiner Liebe zum Verlagswesen nahm das Thema Nachhaltigkeit im Privatleben seinen Anfang. Klassischer Weg, wie für viele wahrscheinlich: Los ging es mit dem für mich schockierenden Film ‚Plastic Planet‘ und dem Buch ‚Kein Heim für Plastik‘. Als Familie haben wir daraufhin versucht, Plastik, wo es irgend geht, in unserem Alltag zu vermeiden. Der Schritt, generell über ethische Fragen des Konsums nachzudenken, war ein kleiner. Und wenn ich Verantwortung übernehme, lag nichts näher, als das  das auch im eigenen Unternehmen umzusetzen. Und so habe ich mich mit Willegoos dahin auf den Weg gemacht.

Und wofür steht eigentlich Willegoos?

Nun, mein Herzallerliebster, dessen Name ich trage, ist ein Küstenkind und kommt aus Friesland, wo der Name Tiarks (dort gesprochen „Tschaaks“) gang und gäbe ist. Aber außerhalb friesischer Gefilde wird der Name Tiarks selten richtig ausgesprochen, Tiarks Verlag ging also gar nicht, ein Kunstname musste her. Beim kreativen Brüten über das, was den Kinderbuchverlag eigentlich ausmachen sollte – „mit Kindern die Welt entdecken“ – kam ich auf den Zugvogel Graugans, der auf Plattdeutsch wille Goos heißt, wilde Gans. Die Graugans ist in Potsdam ebenso anzutreffen wie im Wattenmeer oder in warmen Süden. Ein echter Weltenwanderer eben. Voilà – Willegoos!

Wie sieht der Markt für nachhaltige Bücher aus?

Da nachhaltig produzierte Bücher inhaltlich sowie gestalterisch genauso hochwertig und ansprechend sein müssen wie andere Titel, wenn sie sich am Markt durchsetzen wollen, unterscheiden sie sich wesentlich nur durch die angesprochene Produktion. Ein Kunde wird ein Willegoos-Buch nicht „ökig“ finden, denn nachhaltig produziert bedeutet nicht graue Pappe und farblich trostlose Illustrationen. Das sieht man beispielsweise auch an unserem Sachbuchtitel ‚Ebbe und Flut‘: inhaltlich und gestalterisch hochwertig und ansprechend. Und: er steht auf der Hotlist für den Kindersachbuchpreis Emys!
Es ist wie anderen, inzwischen etablierten, Produkten, Bio-Gemüse oder fair hergestellte Designerklamotten zum Beispiel – das Hintergrundwissen macht’s. Wenn es gelingt, dieses Bewusstsein bei Kunden zu schaffen, ihm zu vermitteln, dass Gutes auch seinen Preis hat, sind wir auf einem guten Weg.

Mit welchen Schwierigkeiten hast Du zu kämpfen?

Kleine Verlage kämpfen immer um Aufmerksamkeit und Anerkennung für ihr Programm, ein geneigtes Ohr der Presse, um sichtbare Platzierung in den kleiner werdenden Regalflächen der Sortimentsbuchhandlungen.

Cover Wimmelbuch Dresden

Mmmmmmh, das würde ich sofort unterschreiben. Und was würdest Du Dir für den deutschen Buchmarkt ganz generell wünschen?

Viele kleine Bücherfans, denen Bücher genauso wichtig sind wie Nintendo, App & Co.
Worauf sollten Eltern, Tanten, Großväter etc. beim Bücherkauf achten?
Lieber weniger, dafür hochwertige Bücher kaufen (Inhalt, Produktionsweise) und etwas mehr Geld ausgeben, denn wirklich gute Bücher werden immer wieder gerne zur Hand genommen, unterhalten für viele Stunden – und sind damit ihr Geld auch wert. Und für die Kinder kaufen, nicht für sich selbst, so vermeidet man so manchen „pädagogisch wertvollen“ Fehlgriff, dessen Inhalt den Lütten meistens herzlich egal ist.

Sicherlich hast Du gesehen, dass wir gerade eine SpendenAUKTION für Flüchtlinge machen. Könntest Du Dir vorstellen ein paar Bücher zu spenden, damit unsere Leser die Chance haben Deine Bücher kennenzulernen. Und das auch noch für einen guten Zweck!

Keine Frage, Willegoos ist mit dabei! Es sind bereits Spendenbücherkisten mit ‚Mein Stadt-Wimmelbuch Dresden‘ und ‚Mein Stadt-Wimmelbuch Leipzig‘ an die Flüchtlingshilfsorganisationen der jeweiligen Städte gegangen – mit den textlosen Wimmelbüchern haben auch kleine Neuankömmlinge ohne Deutschkenntnisse bereits ihren Spaß!

Wow! Das ist ja großartig! Wirklich toll. Vielen Dank! Wir sind sehr gespannt auf Deine weiteren Ideen und freuen uns, wenn Du uns über neue Entwicklungen informierst. Bis dahin: alles, alles Gute!!!

Wer Lust auf die Bücher von Susanne bekommen hat, kann sie für einen guten Zweck im Rahmen unserer SpendenAUKTION für Flüchtlinge ersteigern. Hier entlang zum Bieten! Bietet bis Montag, 20 Uhr auf das Buch „Der Schiet und das Frühjahr“.

 

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Weitere Infos und jede Menge Interaktion findet ihr auf unserer Facebookseite “Finding Sustainia“ und bei Twitter unter @Finding_S.Wir freuen uns auch, wenn ihr euch in der rechten Spalte unseres Blogs für unseren Newsletter anmeldet. So bleiben wir gut verbunden.


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