Bunt und nachhaltig – Interview mit Stefan von Stockmar


Liebes Stockmar Team, wir freuen uns riesig, dass ihr uns ein paar Fragen beantwortet. Ich habe als Kind schon mit euren Produkten meine kleinen und großen Kunstwerke gestaltet.
Malen und Kreativ-Sein ist leider nicht ganz so ungiftig mit herkömmlichen Produkten. Meine Tochter geht in einen Waldorf-Kindergarten, in dem man Wert auf hochwertige, natürliche Qualität bei Lebensmitteln und Produkten legt. Und es wird nur mit Stockmar Farben gemalt.

Wenn man nicht gerade Claudias DIY Varianten ausprobieren will, lohnt sich deshalb der Blick in euer Sortiment erst recht. Warum? – Das möchten wir gerne in diesem Interview mit euch besprechen.

stoc_header

Erzählt ihr uns etwas über eure Gründungsgeschichte rund um euer Traditionsunternehmen?

Stockmar wurde 1922 von Hans Stockmar als Herstellungsbetrieb für Imkereibedarf gegründet. Hans Stockmar war auch selbst Inhaber einer Imkerei. Aus dem dort anfallenden Bienenwachs begann er ab 1930 Bienenwachskerzen herzustellen. Bereits vor der Nazi-Zeit hatte Hans Stockmar Kontakte in die Waldorfbewegung, die nach dem zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen wurden. Aus diesen Kontakten resultierte die Entwicklung vieler Produkte der Firma Stockmar wie z.B. Wachsmalstifte und -blöcke, Aquarellfarben und Knetbienenwachs, die noch heute besonders in Waldorfschulen bzw. -kindergärten sowie in Elternhäusern mit Kindern, die eine Waldorfschule bzw. einen Waldorfkindergarten besuchen, geschätzt werden.

bienenwachskerzen
Was sind eure Qualitätsstandards? Welche Materialien verwendet ihr? Erzählt ihr uns etwas mehr und konkret von euren WBU Standards?

Produkte von Stockmar werden besonders auch von Kindern verwendet, zuhause, in der Schule oder im Kindergarten. Unsere Qualitätsstandards sind entsprechend: Stockmar Produkte tragen die Qualitätssiegel CE EN71-3, AP conforms to ASTM D-4236 und „spiel gut“.
WBU ist kein Qualitäts-Standard im eigentlichen Sinne. Hinterfragt man den Begriff „Qualität“, erschließen sich zwei eigenständige aber doch zusammengehörende Aspekte, nämlich die materiell-messbare Qualität und die sinnlich-erfahrbare Qualität. Wenn der Volksmund sagt „Das ist Qualität“, ist in aller Regel die positiv empfundene Summe von Eindrücken gemeint, die sich einerseits aus materiell/objektiv messbaren, andererseits aus sinnlich/individuell erfahrbaren Einzelwahrnehmungen ergibt.

Die materiell-messbare Qualität:
In der Wirtschaft findet, von Ausnahmen abgesehen, ausschließlich die „materielle Qualität“ statt – also alles das, was naturwissenschaftlich quantifizierbar ist. Qualitäts- und Gütesiegel z.B. sagen erst einmal nichts über das Niveau der materiell-messbaren Qualität aus. Sie garantieren lediglich, daß ein bestimmter, quantifiziert beschriebener Qualitätsstandard (egal ob hoch oder niedrig) eingehalten wird. Für diese materielle Qualitäts-Sicherung gibt es Normen, z.B. DIN, RAL, ISO (letztere beschreibt nachvollziehbar die Leistungs-Prozesse, die zum definierten Ergebnis führen) und andere. Bei der materiell-messbaren Qualität handelt es sich um die statische Seite von Qualität, die ihre Bechreibung in dem Begriff „Qualitäts-Sicherung“ findet.

Die sinnlich-erfahrbare Qualität:
Neben der absolut notwendigen materiell-messbaren Qualität gibt es die sinnlich-erfahrbaren Aspekte eines Produktes, denen – von Ausnahmen abgesehen – wenig Beachtung geschenkt wird. Obwohl unsere Sinne wichtige Entscheidungsfunktionen wahrnehmen, wenn es um Qualität geht: Neben z.B. Inhaltsstoffen sind Aussehen, Geschmack, Geruch, das „Feeling“ usw. wichtige Qualitäts-Kriterien; Kosmetik z.B. wird fast ausschließlich über sinnliche Kriterien gekauft. Im Gegensatz zu den materiellen Aspekten lassen sich die sinnlich-erfahrbaren Qualitäts-Kriterien eines Produktes nicht allgemeingültig quantifizieren, sondern nur individuell qualifizieren. Hier geht es nicht um statische Qualitäts-Sicherung, sondern um die dynamische Seite von Qualität, die ihre Beschreibung in dem Begriff „Qualitäts-Entwicklung“ findet.

WBU Qualitäts-Entwicklung:
Sinnlich-erfahrbare Qualität läßt sich weder neutral messen noch wiegen sondern sie ist nur vom Einzelnen mit wachen Sinnen wahrzunehmen – und zu beurteilen. Wobei sich das Urteil nicht – wie bei der materiellen Qualität – an einem definierten Niveau orientiert, sondern immer am persönlichen Ideal. Welche – sinnlich-ästhetischen – Qualitäten braucht z.B. eine Farbe, ein Musikinstrument, ein Pinsel oder ein Modellierwachs, um der Pflege der Sinne zu dienen? Die Frage: Gibt es eine Möglichkeit, die Differenz zwischen den beiden Polen „gewünschtes Ideal“ und „empfundene Realität“ objektiv sichtbar zu machen und so in eine Bewegung zu bringen und als Prozeß abzubilden, daß Qualität als eine ständige Aufforderung des Ringens hin zum Ideal verstanden wird? Mit WBU wurde eine ganzheitliche Qualitäts-Entwicklung umgesetzt, d.h. WBU stellt sich der Komplexität der Wirklichkeit: WBU ist systematisch so angelegt, daß Zusammenhänge zwischen Naturvorgängen, sozialen Prozessen und deren Wechselwirkung erfasst werden. WBU verpflichtet Firmen, neben der Einhaltung materieller Qualitäts-Standards bewußt und permanent die Aspekte der sinnlichen Qualität eines Produktes weiterzuentwickeln. Stockmar-Produkte übererfüllen nicht nur die materiellen Qualitäts-Normen, sondern befinden sich in ständiger WBU-Entwicklung.

buntstifte

An welchen Ansprüchen orientiert sich denn eure Qualitätsentwicklung? Und wo kommt ihr an eure ökologischen Grenzen?

Die genannten Qualitätslabels sind Voraussetzung für die Verwendbarkeit unser Produkte an Schulen. Das wäre die objektiv messbare Qualität. Da unsere Produkte eben im Unterricht, besonders im durch die Waldorfpädagogik geprägten Unterricht an Waldorfschulen, genutzt werden, ist die Verwendbarkeit für diese Form des Unterrichts für uns die oberste Maxime bei der Entwicklung unserer Produkte. Dort wird nicht gemessen oder analysiert, sondern dort wird mit den Sinnen wahrgenommen, was unsere Produkte können. Wenn unsere Produkte nicht das leisten, was im Unterricht gefordert ist, dann bekommen wir am schnellsten und am deutlichsten aus den Schulen Feedback. Das gilt aber auch im positiven Sinne: Seit weit mehr als 50 Jahren werden z.B. unsere Wachsmalstifte an Waldorfschulen verwendet, sind also den besonderen Anforderungen, die dort an Produkte dieser Art gestellt werden, gewachsen. Darauf sind wir natürlich stolz. Ökologische Grenzen? Das kommt drauf an, wie man für sich Ökologie definiert.

Gut, dann etwas konkreter: Warum enthalten eure Produkte erdölbasierende Paraffinwachse? Gibt es dafür keine natürlichen Alternativen? Wie wären eure Farben ohne Paraffin? Stellt das nicht ein Gesundheitsrisiko dar, wenn Kinder die Stifte in den Mund nehmen?

Wir haben zu den von uns verwendeten Paraffinen (Erdölbasis) und mikrokristallinen Wachsen (Erdgasbasis) bislang keine Alternativen gefunden, mit denen wir unseren Produkten die gleichen Mal- bzw. Modelliereigenschaften geben könnten.
Ausführliche Informationen zum Thema haben wir hier veröffentlicht:

Die von uns verwendeten Paraffine und mikrokristallinen Wachse sind hochwertige, reine und z.T. auch recht kostspielige Rohstoffe. Sie stellen keine Gesundheitsrisiken für Kinder dar, auch nicht, wenn sie in den Mund genommen werden. Sie werden auch in der kosmetischen Industrie und der Lebensmittelindustrie verwendet. Ohne Paraffine und mikrokristalline Wachse wären unsere Produkte klebrig und ölig. Wir müssten Füllstoffe verwenden, um das zu kompensieren, was zu Lasten der Transparenz und Lasurfähigkeit ginge, zwei Hauptkriterien unserer Produkteigenschaften. Ferner wären die Produkte muffig und anfällig für Verkeimung. Hier müssten Konservierungsstoffe hinzufügen, um das zu kompensieren.

knetbienenwachs
Nun zu Natur bzw. Bienenwachs. Wir haben vegane Leser, die sich sicherlich fragen, warum Bienenwachs notwendig ist bei der Herstellung von euren Produkten, während andere Naturfreunde sich fragen, warum nur 10 Prozent Bienenwachsanteil  enthalten sind und nicht mehr. Könnt ihr uns dazu mehr erzählen?

Ein erhöhter Anteil an Bienenwachs führt zu Wachsmalstiften oder Modellierwachsen, die stark kleben, was sich weder auf die Mal- noch auf die Modelliereigenschaften positiv auswirkt. Füllstoffe sind für uns, wie oben bereits angemerkt, keine Alternative. Andererseits bringen die 10 % Bienenwachs die Farbpigmente sehr schön zum Leuchten. Wir haben das in sehr vielen unterschiedlichen Versuchen und sehr unterschiedlichen Testern über einen langen Zeitraum ausprobiert: Die von uns eingesetzten 10 % sind genau die richtige Menge an Bienenwachs, um den Produkten nur die positiven Eigenschaften dieses Materials zu geben. Veganer, die trotzdem gerne mit Stockmar kreativ sein möchten, verweisen wir auf unsere Deckfarben und Wachsfolien bzw. unsere Farbkreisfarben: Das sind vegane Produkte.

Wie geht ihr sicher, dass eure Produkte weiterhin die höchsten Nachhaltigkeits- und Sozialstandards erfüllen?

Das wichtigste ist für uns der Dialog. Wir bemühen uns um den Dialog sowohl mit unseren Kunden als auch mit unseren Zulieferern. Rohstoffeinkauf heißt für Stockmar nicht einfach, eine Substanz heute hier und morgen da, z.B. im Internet, zu erwerben. Manche unserer Lieferanten sind regelrecht in den Entwicklungsprozess von Produkten oder Produktionsverfahren involviert. Auf diese Weise haben wir manchmal Zugang zu Expertise, die wir selbst hier vor Ort gar nicht aufbauen könnten.
Auf der anderen Seite bieten wir regelmäßig Treffen, Seminare und Informationsveranstaltungen, gegebenenfalls auch mit Firmenbesichtigung, für unsere Kunden an, denn gerade die Zusammenarbeit im pädagogischen Bereich ist, nach unserer Ansicht, viel mehr, als einfach nur ein Produkt bereitzustellen, mit dem der Kunde dann macht, was er will. Natürlich haben wir viele eigene Ideen zu und Vorstellungen von unseren Produkten. Aber der Kunde, besonders der, der sie täglich im Unterricht verwendet, hat das auch in ganz besonderem Maße. Wenn wir ihnen begegnen, dann haben wir die Möglichkeit, das genau herauszufinden und zu erfahren, und nur auf diese Weise können wir sicher sein, dass wir noch auf einer Wellenlänge mit unseren Kunden sind.

Stichwort: Nachhaltige Firmenführung. Ihr seid nicht kapitalorientiert und lasst eure Mitarbeiter am Gewinn teilhaben. Erzählt ihr uns mehr über eure besondere Firmenphilosophie? Was sind eure Erfahrungen damit, eure Mitarbeiter auf diese Weise teilhaben zu lassen?

Nicht kapitalorientiert trifft’s nicht vollständig. Natürlich wollen wir ein erfolgreiches Unternehmen führen, das auch Gewinne abwirft. Aber die Gewinne fließen halt nicht in die Taschen von Privatpersonen, die das Unternehmen einfach so besitzen. Was von den Gewinnen nicht im Unternehmen selbst bleibt, für Investitionen, für Rücklagen oder als Ausschüttung für die Mitarbeiter, das wird in treuhänderische Verwaltung überstellt um – eingesetzt z.B. für soziale, pädagogische, wissenschaftliche, landwirtschaftliche und umweltschutzorientierte Projekte – gesamtgesellschaftlich wirksam zu werden. Stockmar ist mit dieser Vorgehensweise nicht allein, sondern eingebettet in einen Pool an Unternehmen, Treuhandfonds und Geldinstituten, die im gleichen Geist wirtschaften. Die Verbindungen sind auf konsultativer und kooperativer Ebene und auch auf der Ebene der Kapitalverflechtung vorhanden.
Hinsichtlich unserer Mitarbeiter: Wir sind uns sicher, dass es nicht nur an der Gewinnbeteiligung liegt, aber wir freuen uns natürlich sehr darüber, dass wir viele Mitarbeiter haben, die länger als 30 Jahre im Unternehmen sind, und auch einige, die bereits in der zweiten Generation mit Stockmar verbunden sind. Sie alle tragen mit ihrem Fachwissen, ihrer Erfahrung und ihrem Engagement zum Erfolg unserer sehr kleinen Firma mit ihrer sehr großen, weltweit bekannten und geschätzten Marke bei.

Stockmar Kreativ-Paket

Sehr spannend und nachhaltig gedacht. Sonst würde es euch wahrscheinlich auch nicht schon so lange geben. Vielen Dank für das ausführliche und informative Interview und ganz besonders dafür, dass ihr uns so großzügig bei der SpendenAUKTION für Flüchtlinge unterstützt!

Habt ihr Lust bekommen, die Stockmar-Produkte auszuprobieren? Dann beteiligt euch an unserer SpendenAUKTION und bietet mit auf das große Kreativpaket.

 

tt30-logo

Weitere Infos und jede Menge Interaktion findet ihr auf unserer Facebookseite “Finding Sustainia“ und bei Twitter unter@Finding_S.Wir freuen uns auch, wenn ihr euch in der rechten Spalte unseres Blogs für unseren Newsletter anmeldet. So bleiben wir gut verbunden.

 

,

27 Antworten zu “Bunt und nachhaltig – Interview mit Stefan von Stockmar”

  1. Mir geht es wie Sophia! Bravo zu folgendem Satz“ Aber die Gewinne fließen halt nicht in die Taschen von Privatpersonen, die das Unternehmen einfach so besitzen. Was von den Gewinnen nicht im Unternehmen selbst bleibt, für Investitionen, für Rücklagen oder als Ausschüttung für die Mitarbeiter, das wird in treuhänderische Verwaltung überstellt um – eingesetzt z.B. für soziale, pädagogische, wissenschaftliche, landwirtschaftliche und umweltschutzorientierte Projekte – gesamtgesellschaftlich wirksam zu werden.“

  2. Ich freue mich so auf die Farben! Ich kenne sie noch aus meiner Kindheit, habe sie aber aus den Augen verloren, weil es sie in meiner Umgebung nicht gibt! Das hole ich jetzt nach.

Schreibe einen Kommentar zu Anonymous Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert