Interview mit Björn Echternach zu Kindesentführungen nach Japan


Ihr Lieben, heute möchten wir ein Thema ansprechen, dass Off-Topic ist zu unseren üblichen Nachhaltigkeits-Themen. Das Schicksal von Björn Echternach hat uns einfach sehr berührt. Er hat seit vielen Jahren seine Kinder Karl und Johann nicht gesehen, die von seiner Frau nach Japan entführt wurden. Leider sind Entführungen nach Japan keine traurigen Einzelfälle mehr, sondern ein systematisches Problem.

Kannst du uns bitte ein bisschen mehr über den Status Quo dieser Kindesentführungen erzählen?

Das Problem der internationalen Kindesentführungen nach Japan besteht leider schon ziemlich lange. Schätzungen gehen von weit über 10.000 entführten Kindern aus. Damit sind Kinder gemeint, die nach Japan entführt wurden und unter fadenscheinigen Begründungen nicht zurückkehren. 1990 hat Japan erstmals Besserung gelobt und versprochen die UN Kinderrechtskonvention zu unterzeichnen (UNCRC). Nach dieser haben laut Artikel 9 Kinder das Recht auf beide Eltern. 1994 hat Japan diese ratifiziert. Nach langjähriger internationaler Kritik hat Japan 2011 versprochen das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) zu unterzeichen. Am 01.04.2014 wurde dieses ratifiziert. Bis heute wurde jedoch noch nicht ein einziges Kind aus Japan auf der Durchsetzung von Beschlüssen zurückgeführt. Somit gelobt Japan seit 29 Jahre Besserung. Im Endeffekt zählt aber nur, wie viele Kinder zurückgeführt werden.

Deswegen habe ich die Seiten japanchildabduction.org und japankindesentführung.org erstellt. Es hat in Japan Methode Kinder im Zweifelsfall, also wenn eine Ehe zerbricht, nach Japan zu entführen. Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung haben hierüber bereits berichtet. Pro Woche meldet sich mindestens ein Elternteil bei mir, um sich über potentielle Kindesentführungen nach Japan zu informieren oder um über die Geschichte der nach Japan entführten Kinder zu berichten. Verschlimmert wird die Situation noch zusätzlich dadurch, dass Umgangs-und Besuchsrechte in Japan nicht durchgesetzt werden.

Als Juristin würde ich erst einmal meinen, dass Japan sich doch an die internationalen Bestimmungen halten müsste. Wie kann es also sein, dass es bisher keine oder nur so wenige Zusammenführungen mit dem anderen Elternteil gibt?

Im ersten Moment sind die meisten Menschen geschockt und fassungslos wenn sie die beispielhafte Geschichte von Karl und Johann hören. Unser natürliches Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden würde automatisch darauf schließen lassen, dass das entführende Elternteil das Sorgerecht verliert und die entführten Kinder wieder mit ihren zurückgelassenen Eltern zusammengeführt werden. Die Realität sieht leider deutlich anders aus. Es gibt Länder, da funktioniert das HKÜ zu 100% und diese führen alle entführten Kinder zurück. Leider gehört Japan nicht dazu. Es gibt desweiteren noch ein paar osteuropäische und südamerikanische Länder, in denen die Rückführungsquote sehr bescheiden ist und wo es deutlichen Raum zu Verbesserungen gibt. Leider wird von viel zu vielen Ländern eine schlechte Umsetzung des HKÜ oder sogar eine Nicht-Einhaltung, wie im Falle Japans, nicht entsprechend sanktioniert. Japan ist hier nur das extremste Land von allen Beispielen weltweit. Am schlimmsten trifft es die Elternteile, die freiwillig mit den japanischen Partnern nach Japan gehen, denn diese werden von dem internationalem Recht des HKÜ überhaupt nicht geschützt. Dies läuft klassisch so ab, dass kurz nach der Einreise nach Japan das japanische Elternteil mit den Kindern untertaucht. Im nationalen japanischen Recht haben Ausländer keine Chance und werden in 100% aller Fälle diskriminiert. So hat noch kein einziges ausländisches Elternteil jemals das Sorgerecht in Japan zugesprochen bekommen.

Wie können wir und unsere Leser dich weiter in deinem Kampf unterstützen?

Natürlich gibt es neben japanchildabduction.org bzw. japankindesentfuehrung.org auch noch andere Hilfsorganisationen in Deutschland mit denen ich eng zusammen arbeite. Lobend möchte ich hier besonders sos-childabduction.eu erwähnen. Die wenigsten Menschen in Deutschland wissen, dass jährlich fast 1.000 Kinder aus Deutschland entführt werden. Da hier für kleine Kinder Lebensentscheidungen getroffen werden, die diese niemals selbst getroffen hätten (Kinder würden sich immer für beide Eltern entscheiden), muss hier mehr getan werden.

Zum Beispiel haben ich im Gespräch mit mehreren Abgeordneten bereits vorgeschlagen, dass bei internationalen Kindesentführungen Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt per Gesetz ausgeschlossen werden sollte. Dies würde viele, die mit dem Gedanken spielen ihre eigenen Kinder zu entführen, davon abbringen, weil hier wirtschaftlicher Zwang ausgeübt werden würde. Ohne Geld auch keine Entführung! Mit dieser einfachen Maßnahme würde sich die Anzahl der Kindesentführungen aus Deutschland um mehr als 80% verringern. Konkret würde ich mir wünschen, dass viel mehr Menschen ihrem Bundestagsabgeordneten und ihrem Abgeordneten im EU Parlament schreiben würden. Internationale Kindesentführungen, bei dem kleine Kinder die Opfer sind, sind kein Thema für Parteipolitik und erfordern sofortiges Handeln.

Seit Karl und Johann im Juni 2017 nach Japan entführt worden sind, sind noch 6 weitere Kinder allein nur nach Japan entführt worden. Wir haben in Deutschland noch so unglaublich viel zu tun. Wenn es in Deutschland außerdem bei einer internationalen Kindesentführung und dem Straftatbestand §235 StGB („Kindesentzug“) automatisch zu einem Sorgerechtsverlust in Deutschland kommen würde, dann könnte man die Anzahl der Kindesentführungen auf fast 0% reduzieren. Persönlich hoffe ich natürlich, dass Karl und Johann zurückgeführt werden. In Deutschland ist die entführende japanische Mutter vor dem OLG Brandenburg in Revision gegen das Urteil des Amtsgericht Nauen gegangen. Das Amtsgericht hatte mir damals das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Das Verfahren vor dem OLG Brandenburg läuft immer noch seit 1 1/2 Jahren. In dieser Zeit haben das Tokyo Family Court und das Tokyo High Court die Rückführung beschlossen. Insgesamt sind 4 Beschlüsse für die Rückführung meiner beiden Kinder ergangen. Leider berufen sich die japanischen Behörden in der Durchsetzung der Rückführung auf die ausstehende Bestätigung des Sorgerechtsurteils des Amtsgerichts Nauen durch das OLG Brandenburg.

 

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