Bioplastik. Was steckt dahinter? – Claudia will’s wissen


Meinen fünften Beitrag über Plastik widme ich, wie angekündigt, dem Thema Bioplastik/ Biokunststoff oder auch Biopolymer genannt.

Biokunsstoff abbaubar

Habt ihr euch auch schon gefragt, ob Bioplastik vielleicht die Lösung sein könnte? Oder sagen wir besser: eine Möglichkeit um an der einen oder anderen Stelle herkömmliche Plastikartikel mit besserem Gewissen ersetzen zu können. Wir sind dieser Frage auf den Grund gegangen und haben einiges für Euch zusammengetragen.

Ein wenig trocken ist das Thema jedoch, sobald es um Bestandteile der einzelnen Bioplastikarten geht. Wir haben uns daher entschlossen, die genauere Betrachtung der Arten und deren Herstellungsbesonderheiten in einem weiteren Beitrag als Zusatzinformation zur Verfügung zu stellen. Also auch für diejenigen unter euch, die es, wie ich, wirklich ganz genau wissen wollen, ist gesorgt. Lohnenswert ist unser Zusatzartikel in jedem Fall, denn Bioplastik ist nicht gleich Bioplastik. Und nicht überall wo Bio drauf steht ist auch Bio drin.

Auf die notwendige Unterscheidung der Wörter „kompostierbar“ oder „biologisch abbaubar“ gehe ich hier nach der Kurzfassung der Arten ein. Es folgen Informationen über die Zertifizierungsnorm für Kompostierbarkeit und die Frage, ob Biokunststoffe eine gesundheitlich bessere Alternative zu gewöhnlichem Plastik sein können. Eine nachhaltige Betrachtung, bezogen auf die verwendeten Ressourcen, schließt diesen Beitrag ab.

 

Fangen wir also mal mit der Definition an.

Definition

Eine einheitliche und einfache Definition existiert nicht. Das liegt wohl auch an den unterschiedlichen Eigenschaften, die das Endprodukt auf Grund seiner Nutzung benötigt. Besonders deutlich wird dies bei der Einteilung in zwei Biokunststoffarten.

Biokunststoffarten

I.) Bio-basierter Kunststoff

Bio-basiert nennen sich Kunststoffe, die teilweise oder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugt werden. Das bedeutet, dass diese auch schwer oder überhaupt nicht abbaubare Kunststoffe als Endprodukt sein können.

II.) Bio-abbaubarer Kunststoff

Die Basis spielt hier keine Rolle, allerdings ist das Endprodukt biologisch abbaubar. Die Basis kann, muss aber nicht zwangsläufig Mineralöl sein.

Und, was fällt auf? Meiner Meinung nach würde sich eine Mischform „biobasierter, bio-abbaubarer Kunststoff“ als weitere Biokunststoffart anbieten. Eine Auszeichnung, die es in dieser Form jedoch nicht gibt.

 

Noch verwirrender wird es, wenn man folgenden Satz aus Wikipedia zum Begriff Biokunststoff  liest: „….Abzugrenzen sind Biokunststoffe von anderen Biowerkstoffen wie den Verbundwerkstoffen, zu denen etwa die Wood-Plastic-Composites gehören und bei denen biogene Anteile (Holzmehl) mit fossilen Kunststoffen oder Biokunststoffen kombiniert werden, und naturfaserverstärkten Kunststoffen. Allerdings sind auch Mischformen wie naturfaserverstärkte Biokunststoffe denkbar….“

Ich möchte jetzt auf dieses Zitat nicht weiter eingehen, denn irgendwie scheint Biokunststoff ein Gemisch aus allem Möglichen zu sein. Unmöglich erscheint zumindest nichts mehr.

Wer gerne ein Video zu diesem Thema ansehen möchte, kann sich das folgende, circa 5-minütige Video aus 2010, zu Gemüte führen: „Biokunststoffe – Nachwachsende Rohstoffe auf neuen Wegen„. Es behandelt zwei Beispiele der bio-basierten Kunststoffart etwas genauer. Das Video ist mir allerdings zu allgemein gehalten und im Tenor ein wenig zu euphorisch.

Wem die reduzierte Artendifferenzierung nun zu wenig Information geboten hat, der kann sich, wie oben angekündigt, die ausführlicheren Zusatzinformationen durchlesen. Sie bieten tiefere Einblicke in die Zusammensetzungen und damit auch eigene Gedanken auf die gesundheitlichen Aspekte.

 

Norm und Kennzeichen für kompostierbares Bioplastik

Mit diesem Zeichen zertifiziert DIN CERTCO kompostierbares Plastik nach der EN 13432.

Die Vorschrift sieht vor, „daß biologisch abbaubare Verpackungsabfälle durch physikalische, chemische, wärmetechnische oder biologische Prozesse so zersetzt werden können, daß der Großteil des Endproduktes sich aufspaltet in Kohlendioxid, Biomasse und Wasser.“ Weiterhin sollten die Stoffe innerhalb von 12 Wochen in einer Industriekompostierung zu mindestens 90 % abgebaut werden.

Daraus schließe ich, dass die enthaltenen Stoffe nicht ins Gewicht fallen, sondern nur die Zersetzung betrachtet wird. Eine private Kompostierungsmöglichkeit ist nicht zwingend nötig. Für den kompostierenden Endverbraucher ist das aber eine wichtige Information, die aufgrund des positiv betitelten Zeichens irreführend ist. „Industriell kompostierbar“ wäre der stimmigere Ausdruck.

In der oben verlinkten EN 13432 steht unter anderem zusätzlich, dass alle Inhaltstsoffen offen zu legen und die Schwermetallgrenzen einzuhalten sind. Auch werden Auswirkungen auf das Wachstum von Pflanzen getestet und ein Ökotoxizitätstest bei Pflanzen vorgeschrieben. Ob dieser Test auch für Wasser und Luft durchgeführt wird, ist mir nicht klar geworden. Na, da bin ich jetzt aber doch schon beruhigter.

Diese Differenzierung macht also die zertifizierten kompostierbaren Biokunststoffe aus und schafft eine Abgrenzung zu den allgemein als bio-abbaubar eingestuften Arten. Einen Hinweis, dass es sich um bio-basierte und zugleich bio-abbaubare Kunststoffe handeln muss, habe ich dort nicht gefunden. Wenn man sich aber die Beispiele für kompostierbare Biokunststoffe ansieht, liegt der Schwerpunkt auf den bio-basierten Arten, also  quasi der „Mischform“. Zufall?

Beispiele für biologisch abbaubare und zugleich kompostierbare Werkstoffe sind die Bio-Rohkunststoffe (Betonung Rohkunststoffe! Also ohne Zusätze/ Komponenten):

Die ersten 4 Aufgezählten sind die bio-basierten und zugleich bio-abbaubaren Kunststoffarten (Mischform) wenn bestimmte Zusätze entfallen.

Man findet dieses Gütezeichen für kompostierbares Plastik jedoch nur sehr selten auf Kunststoffen. Liegt das nun an den Additiven, die diesen Roh-Biokunststoffen zu oft zugegeben werden um Stabilität und Hitzebeständigkeit zu erzielen? Oder an den Herstellern, die den Verbrauchern diese Information vorenthalten und sich dadurch Zertifizierungskosten ersparen? Falls letzteres der Fall wäre, sind wir selbst gefragt, dieses durch die Auskunftspflicht zu bewirken. Die Auskunftspflicht habe ich in meinem 3. Beitrag bereits ausführlich behandelt. Mein persönlicher Eindruck: beides wird wohl zutreffen.

Ist Biokunststoff nun die gesuchte gesunde Plastikart?

Ihr seht schon, es ist nicht garantiert, dass Biokunststoffe schadstofffrei und somit gesundheitsunbedenklich sind.

Denn bio-abbaubare Kunststoffe sind nicht zwangsläufig mineralölfrei oder schwermetallfrei. Hier nur ein Beispiel: Unter Blends versteht man Mischungen, die aus mehreren Komponenten bestehen können. Also auch einer Komponente der fossilen Rohstoffart.

Die zertifizierten kompostierbaren Biokunststoffe halten zumindest die Schwermetallgrenzen ein, können aber auch Mineralölbestandteile beinhalten.

Auch bei bio-basierten Kunststoffarten ist eine fossile oder schädliche Zutat nicht generell auszuschließen.

Inwieweit gesundheitliche Folgen durch Kontakt zu mineralölhaltigen Kunststoffen entstehen können, wurde im 2. Beitrag bereits betrachtet.

Wir (und auch Tiere) nehmen möglicherweise Pflanzen zu uns, die im Kontakt mit kompostierten Biokunststoffen gewachsen sind. Sind die oben genannten Zertifizierungstests für Kompostierbarkeit rein auf Pflanzen bezogen ausreichend um auf den Menschen Rückschlüsse zu ziehen?

Mein Fazit: Hier gilt wieder, dass die genauen Bestandteile, die so vielfältig wie bei Mineralölkunststoffarten sein können, über ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit entscheiden. Man kann natürlich wie im Plastic Planet Film dem Herrn folgen, der sagte: „… Trust! …“

Aber naja…

 

Und wie sieht die Ressourcenbetrachtung bei Bioplastik aus?

Bioplastik kann auch auf diesem Gebiet leider nicht kritiklos als gut betrachtet werden. Folgende Gründen sind zu nennen:

  1. Nicht auszuschließen ist ein Raubbau an Bäumen für Hart- und Weichholz oder auch Palmöl, der sich ungünstig auf die Klimaentwicklung auswirkt.
  2. Nicht unreflektiert vertretbar sind Bioplastikstoffe, die Nahrungsmittelpflanzen wie Zucker, Mais, Weizen, Kartoffeln und Tapioka benötigen. Sie entziehen der wachsenden Weltbevölkerung Nahrungsmittel, die aufgrund der begrenzten Anbauflächen für nicht ausreichend eingestuft werden.
  3. „Plastik produzierenden“ Bakterien benötigen Zucker zur Gärung. Um das ungünstige Verhältnis 3:1 zukünftig zu verbessern, setzt man auf Genveränderungen bei Pflanzen. Also auch kein wirklich prickelnder Gedanke, oder? Gespannt bin ich daher auf das Berliner Projekt Weltacker, in dem praktisch erprobt wird, ob die durchschnittliche Anbaufläche von 2000 m2 pro Person zur Ernährung für 1 Jahr reichen würde, ohne dass negative gesundheitliche Folgen drohen. Über das Projekt haben auch Santa und Anna letztes Jahr berichtet und ein tolles Interview mit einer der Verantwortlichen geführt.
  4. Ein interessanter Ansatz liegt im Chitinbiokunststoff, der sich der Garnelenabfälle bedient. Doch wird die Produktion dieses Nischenprodukts ausgedehnt? Und ist die Weiterverfolgung dieses Ansatzes überhaupt massentauglich? Problematisch könnte in Aquakulturen auch der erhöhte Antibiotikaeinsatz sein…

Eine Bestätigung der kritischen Sichtweise fand ich vom Umweltbundesamt. Es äußerte sich 8/2009 wie folgt: „… Die Kriterien „Verwendung nachwachsender Rohstoffe“ und „bioabbaubar“ allein reichen nicht aus, um von vornherein eine generelle Umweltüberlegenheit dieser Materialien zu begründen. Es bedarf deshalb aus unserer Sicht weiterer Untersuchungen und Umweltbewertungen, um sicherzustellen, dass derartige Entwicklungen nicht in eine ökologische Sackgasse führen oder dass ungerechtfertigte staatliche Förderungen wirksam werden. …“ „… Das Werben mit positiven Umweltaussagen im Zusammenhang mit biologisch abbaubaren Kunststoffen sollte solange unterbleiben, bis auf der Grundlage anerkannter wissenschaftlicher Untersuchungen der Nachweis der Umweltvorteilhaftigkeit tatsächlich erbracht ist. …“

Dennoch, ein wenig träumen mag erlaubt sein: Vielleicht wird es in Zukunft noch ganz andere Biokunststoffe geben, die dann evtl. auch eine gesundheitliche Garantie in der  Massenproduktion bieten und bezogen auf Ressourcen besser abschneiden. Ob es zum Beispiel der Biokunststoff aus CO2 sein wird, bleibt abzuwarten. Ich bleibe auch hier bei der Zuordnung zur Art der „bio-abbaubaren Kunststoffe“ kritisch. Interessant jedoch ist der Ansatz aus dem Jahr 2011 in diesem Video sicherlich: „Biokunststoff aus CO2: Klimakiller als Hoffnungsträger“   Vielleicht kann dieser Biokunststoff  unser Klima retten, doch was passiert wenn wir CO2 aus diesem Kunststoff  wieder freisetzen?

Auf den Aspekt der praktikablen Recyclingfähigkeit von Bioplastik  bin ich hier noch gar nicht eingegangen. Zur endgültigen Beurteilung von Bioplastik gehört er jedoch dazu. Theorie und gelebte Praxis unterscheiden sich ja bekanntlich desöfteren. Und besonders, da der Aspekt des Ressourcenverbrauchs im Nahrungsmittel-/ Umweltbereich nicht unerheblich ist.  In meinen nächsten Beiträgen zum Dualen System werde ich darauf eingehen.

Bis dahin freue ich mich über Eure Meinung zu Bioplastik als Alternative. Ich bin noch irgendwie zwiegespalten. Allerdings mehr wegen der Gewichtung als Alternative zum Mineralölplastik und dem Argument Vermeidung von Mikroplastik. Und Ihr?

Grüße

Claudia

 

Folgene Links sind noch empfehlenswert:

Video über die bio-basierte Biokunststoffarten Lignin und PLA: Kunststoff ohne Erdöl

http://biowerkstoffe.fnr.de/biokunststoffe/werkstoffe/

http://www.planet-wissen.de/alltag_gesundheit/essen/mais/

 


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Weitere Infos und jede Menge Interaktion findet Ihr auch auf unserer Facebookseite, über Twitter unter @Finding_S und über den Blog der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome.

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16 Antworten zu “Bioplastik. Was steckt dahinter? – Claudia will’s wissen”

  1. Wieder einmal ein super gut recherchierter (bzw. eigentlich 2) Beitrag zu diesem brisanten Thema.

    Ich kann nur wieder einmal danke sagen, dass Du Dir so viel Arbeit machst und Deine ganzen Rechercheergebnisse mit uns teilst!

    lg
    Maria

    • Danke Maria, ich lese bei Dir auch ganz gerne. Manchmal identische, manchmal erweiternde Erfahrungen. Beides hat seinen Wert. 🙂
      Grüße Claudia

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