Wer unsere Green Parenting Challenge ein wenig verfolgt hat, weiß: Wir sind auf der Suche nach Lösungen zur Reduzierung unserer Müllberge, nachhaltigem Konsum und einem Elternsein, das sich für unsere eigenen Familien, aber auch für nachfolgende Generationen positiv auswirkt. Ein großes Thema im Leben mit unseren Kleinen sind Windeln. Viele Windeln! Zum Thema Stoffwindeln haben wir schon eine Menge veröffentlicht, doch endlich sehen wir auch am Himmel der Einwegwindeln einen Hoffnungsschimmer.
We proudly present: Die Fairwindel, eine Einwegwindel, die das Potenzial hat, die erste CO2-neutrale und 100% abbaubare Babywindeln aus nachwachsenden Rohstoffen zu werden – und zwar auf Kartoffel- und Maisbasis. Der schlaue und sehr sympathische Kopf hinter der Fairwindel ist Chemiker Dominic Franck, den wir jetzt mit Fragen löchern möchten. Wir freuen uns auch, dass wir die Fairwindel als erstes testen dürfen, wenn es soweit ist.
Lieber Dominic,
Schön, dass du uns ein Interview zu deiner Fairwindel gibst. Erzählst du uns ein bißchen zu deiner Person und wie man als Chemiker auf die Idee kommt, an einer nachhaltigen Windel zu tüfteln?
Alles fing mit der Geburt unserer Tochter an. Uns störte der gigantische, zusätzliche Abfallberg von Einwegwindeln. Ich begann mich mit Windeln zu befassen… das hätte ich auch nie gedacht. Bei den Recherchen stieß ich auf etwas mir bis dahin Unbekanntes: Wegwerfwindeln bestehen zu Teilen aus Erdölerzeugnissen.
Wir waren schockiert! Das muss doch anders gehen. Beim Saugkern wurde meine wissenschaftliche Neugierde geweckt und ich befasste mich intensiv mit dem Material. Dabei fanden wir Möglichkeiten, den Saugkern komplett nachhaltig herzustellen auf Basis von Kartoffeln. Das ist ein wichtiger Meilenstein unserer biologisch abbaubaren Windel.
Kartoffeln? Das ist sehr interessant. Wieviele Kartoffeln braucht denn eine Fairwindel?
Eine Kartoffel enthält im Durchschnitt 18-25% Trockenmasse. Davon sind 70% Stärke. Meine Biokartoffel ist ca. 90g schwer, das sind dann ca. 12g Stärke. Ganz grob geschätzt braucht eine Windel so 2 Kartoffeln oder eine große Kartoffel.
Ich kann mir vorstellen, dass beim Thema Kartoffeln, die für etwas anderes als den Verzehr genutzt werden, schnell das Thema aufkommt, das wir aus der Bioenergie-Debatte kennen. Tank oder Teller, etc. Was setzt Du diesen Argumenten entgegen? Und könnte man nicht Kartoffel Misfits nehmen oder weitere Restkartoffeln, die in der Landwirtschaft anfallen?
Das ist wirklich eine super Idee mit den Restkartoffeln. Ich erinnere mich an meine Kindheit, wo wir nach der Ernte die kleinen Kartoffeln gesammelt haben. Das lässt sich bestimmt verwirklichen. Wenn jemand gute Kontakte zu Bio-Bauern hat, vor allem im Raum Berlin, dann nur her damit!
Wie groß ist euer Team?
Die Kampagne habe ich mit meiner Frau gestartet. Sie ist für Vertrieb und Marketing zuständig und ich kümmere mich um das Wissenschaftliche.
Kannst du uns für Laien verständlich erklären, wie man eine Windel herstellt?
Eine Einwegwindel besteht im Groben aus verschiedenen Lagen wie Außenhülle, Taillenbündchen, Auslaufschutz, Innenflies, Saugkörper mit Zellstoff-Flocken, Superabsorber und die Klebestreifen. Die Komponenten laufen in einer langen Maschine zusammen und kommen hinten als fertige Windel mit irrsinnigem Tempo raus.
Soweit so gut, aber warum braucht die Welt eigentlich eine Fairwindel bzw. was unterscheidet die Fairwindel von anderen Öko-Windeln?
Wir sind der Überzeugung, dass es endlich Zeit für die Fairwindel ist. Viele der sogenannten „Bio-„ oder „Eco“-Windeln verwenden noch immer den Superabsorber aus Polyacrylat, einem Erdölerzeugnis. Die Windel ist dadurch nicht abbaubar. Unser Ziel ist eine klimaneutrale, nachhaltige und faire Windel. Fair bedeutet auch, dass wir unsere soziale Verantwortung ernst nehmen, und nicht nach Gewinnmaximierung streben. Wir wollen ein Produkt von Eltern für Eltern.
Auf welche natürlichen Rohstoffe greifst du, abgesehen von der Kartoffel, zurück?
Die Kartoffel ist der Hauptbestandteil und für den Saugkern verantwortlich. Jeder kennt Stärke in Form des Soßenbinders. In der Windel passiert dies auf ähnliche Weise: Die Flüssigkeit wird im Saugkern gebunden. Unsere Stärke wird etwas angepasst, damit sie die Kapazität erreicht. Die Aussenhülle ist ein biologisch abbaubare Hülle aus Mais. Aber auch dieses Material kann noch optimiert werden.
Darf ich dich ganz konkret fragen, wieviele Rohstoffe und Energie für eine Fairwindel drauf gehen?
Da kann ich dir keine Auskunft geben. Wir haben noch keine Berechnungen angestellt.
Wie ist die Saugleistung deiner Windel im Vergleich zu der – für mich absolut unnatürlich klingenden – 1.5. Liter Saugleistung von Pampers, die durch diese Superabsorber möglich werden und dazu erdölbasiert sind (und viele Chemikalien enthalten)?
Wir sind gerade daran, die Prototyp-Windel herzustellen und haben noch keine Daten zur kompletten Windel. Die Saugleistung des nachhaltigen Saugkerns haben wir experimentell bestimmt. Wir liegen bei ca. 70% der „normalen“ Windel. Die Urinmenge eines Babys nimmt sie allemal auf. Zum Vergleich, beim erwachsenen Menschen liegt der starke Harndrang um die 300 Milliliter.
Wie bereits in unseren vorherigen Beiträgen erwähnt, stellen Windeln 5-10% unseres gesamten Müllvorkommen dar und brauchen Jahrhunderte, um sich abzubauen. Dazu landen sie meistens im Restmüll und sondern giftige Methangase ab. Ich habe gehört, dass Ökowindeln im Restmüll (genauso wie Obst- oder Gemüsemüll) teilweise einen größeren Schaden anrichten können als herkömmliche Pampers und Co., genau weil sie abbaubar sind. Unser Ansicht nach wäre die Eigenschaft der 100%igen Abbaufähigkeit der Fairwindel dann vor allem sehr interessant, wenn örtliche Kompostunternehmen die Fairwindel auch wirklich annehmen. Welche Schritte unternimmst du, damit deine Windel wirklich kompostiert wird?
Zum einen ist unsere Windel schon alleine in der Produktion umweltfreundlicher. Aber mit dem Aspekt der Entsorgung beschäftigen wir uns auch intensiv und wollen erreichen, dass die Fairwindel über die Biotonne der Erde zurückgeführt wird. Leider sieht das der Gesetzgeber momentan nicht vor. Hier ist eine Änderung der Verordnung notwendig. Dazu sind wir in Gesprächen u.a. mit Berliner Kompostunternehmen – in Berlin planen wir unser Pilot-Projekt. Und hoffentlich in 1-2 Jahren kann unsere Babywindeln als erste Windel mit dem kommunalen Kompost entsorgt werden. Das wäre wirklich eine Revolution!
Das stimmt! Leider gibt es dasselbe Problem mit abbaubaren Joghurt-Bechern oder Tüten auf Maisbasis. Wie lange würde die Windel auf dem Heimkompost brauchen, um sich abzubauen? Hältst du das für praktikabel, z.B. in einem Home Composter oder auf dem Komposthaufen?
Der Home Composter ist eine tolle Sache. Wenn alle Teile der Babywindel biologisch unbedenklich sind, könnte die Windel auf dem privaten Komposthaufen kompostiert werden. Die Hälfte des Saugkerns ist nach 90 Tagen abgebaut. Für die komplette Windel stehen noch Experimente aus.
Ich persönlich verwende zu Hause Stoffwindeln, leiste mir aber für unterwegs bzw. im Urlaub gerne eine Bio-Einwegwindel. Hier in Paris blättere ich aber mindestens 20 Euro für eine Packung Einwegwindeln hin. Für die Eltern, die ausschließlich Einwegwindeln nutzen, ist das ein tiefer Griff ins Portemonnaie – und schreckt ab. In welcher Preislage liegt deine Fairwindel? Und wie handhabst du es mit Werbung, die bei anderen Windeln natürlich auch in den Preis mit eingespeist werden müssen.
Jede Familie soll die Chance zum nachhaltigen Leben haben. Guter Konsum soll nicht nur den Besserverdienern offen stehen. Wir sind der Überzeugung, dass Menschen nachhaltiger leben, wenn i) das nachhaltige Produkt nicht viel mehr kostet als herkömmliche Produkte und ii) dabei keine Nachteile entstehen. Unser Ziel ist ein Preis in der Region des Marktführers. Das sollte möglich sein, denn wir verzichten auf teure Werbekampagnen.
Wenn die Eltern mit der Windel zufrieden sind, wird es sich schon rumsprechen.
Stimmt! Wir glauben auch daran, dass Qualität die beste Werbung ist. Ab wann und wo kann man die Fairwindel beziehen?
Wir planen noch dieses Jahr die erste Fairwindel in den Händen zu halten. Sie wird noch nicht perfekt sein, aber es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Das Verkaufskonzept ist noch nicht final. Wir favorisieren den Direktverkauf über das Internet: Erstens können so die Eltern die Windel zu einem fairen Preis beziehen, da der Zwischenhandel wegfällt und zweitens können wir so den direkten Kontakt mit den Eltern gewährleisten.
Vielen Dank für deine Zeit! Wir empfehlen jedem, der das Projekt Fairwindel interessant findet, auf Dominic’s Website www.fairwindel.de zu gehen und sich in den Newsletter einzutragen, ihm bei Facebook euer Like zu geben und ihm bei Twitter zu folgen. Weiterhin ist wie bei allen vielversprechenden Start-Ups wichtig, dass man sich austauscht, (kritisch hinter-) fragt, Feedback gibt und unter die Arme greift. Wie Dominic schon angeregt hat, muss der Gesetzgeber kooperieren. In dem Bereich haben wir Verbraucher durchaus Macht, ob durch Petitionen oder andere Aktionen. Einwegwindeln wird es wohl immer oder zumindest noch lange geben…umso wichtiger ist es, die beste Variante zu finden.
Eure Santa und die Sustainians
Weitere Infos und jede Menge Interaktion findet ihr auf unserer Facebookseite “Finding Sustainia“ und bei Twitter unter @Finding_S.Wir freuen uns auch, wenn ihr euch in der rechten Spalte unseres Blogs für unseren Newsletter anmeldet. So bleiben wir gut verbunden.