19 Monate Finding Sustainia – Claudias Rückblick


Viele Fragen standen in Eurem letzten Beitrag … wo beginnen?

Ich fing an auf dem Beitrag unterhalb zu antworten und stellte fest, es wird zu lang für einen Kommentar. Hier also meine Gedanken und das Resümee.

© Claudia Ludwig
© Claudia Ludwig

Wie kam ich auf Finding Sustainia?

Aufmerksam geworden bin ich durch einen Post von Anna auf einer Facebookseite. Ich denke es war März oder April 2014. Nicht wirklich wissend, was ich da anklicke. Zu diesem  Zeitpunkt beschäftigten sich Santa und Anna eher mit Themen, die mich weniger interessierten. Zum einen, weil ich sie schon praktizierte oder weil sie mir, so dachte ich, zu viel Zeit stehlen würden. Ich las dennoch einmal in der Woche den Sonntagschat der beiden. Euren Stil fand ich ansprechend, unterhaltsam und von Monat zu Monat inspirierender. Eure Worte traten Gedanken-Tretminen los, die oft nach Antworten suchten und manche Recherche im Internet nach sich zog.

Zu dem Zeitpunkt steckte ich in meinem, nur Monate vorher gestarteten Projekt: Kein Plastik! Der Kopf war also ganz wo anders, um wirklich irgendeine eurer neuen Ideen umzusetzen. Aber ihr habt mich da schon mal wachgerüttelt und sensibilisiert.

Welche Challenge hat mich dann gepackt und was ist geblieben?

challenges_visual-3Es war die „Keine Plastik“- Challenge, bei der ich aktiv Links beisteuerte. Als ihr dann auch noch die „No Plastic und CO2-Einsparungs“-Challenge als Doppel aus der Schublade herausgezogen habt, war mir klar, diesen Mix versuche ich jetzt. Ein schweres Unterfangen, wie sich herausstellte.

Plastikfrei ging ja schon ganz gut, aber der CO2 Abdruck war eine echte Herausforderung. An vielen Schrauben konnte ich nicht drehen. Wie zum Beispiel die Quadratmeter je Familienmitglied. Die Heizungsmethode hatte schon ihr Optimum erreicht und einen neuen Kühlschrank zu kaufen, nur wegen einer CO2- Verminderung, stand mir auch nicht im Sinn. Widersprach es doch dem stets gelebten Repair-Gedanken. Auch auf das Auto, das eh nur selten wie z.B. für Großeinkäufe und Urlaub benutzt wird, wollte ich nicht verzichten.

Also wo dreht man noch? Die Antwort war die vegane Ernährung! Oh je, was für eine Aufgabe, wenn die restlichen Familienmitglieder so gar nicht ohne tierisches Eiweiß auskommen und mir schwarzer Kaffee am morgen nicht taugt und Tee mich nicht wach bekommt. Mit Hafermilch und Reismilch habe ich aber immerhin zwei weitere Fans in der Familie gefunden. Das Produkt, leider nur plastikverpackt, wurde dann zu einem Luxusartikel. Die selbsthergestellte Pflanzenmilch hat keinem hier geschmeckt. Vielleicht lag es am schlechten Mixer. Uns war sie einfach zu stärkehaltig.

Geblieben sind mir aus diesem verrückten Monat: Annas Tipp, eine vegane Leberwurst aus ordentlichen Zutaten selbst herzustellen, und der entdeckte  vegane Ofenkäse, der seit dem immer auf der Gemüselasagne landet und auch dann zum Einsatz kommt, wenn wieder einmal kein Käse vorhanden ist. Da ich der einzige Käseliebhaber bin, kommt das häufiger vor.

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Auch sonst bin ich dieser Ernährungsform aufgeschlossener gegenüber geworden und probiere einfach mal das eine oder andere Rezept ohne Ei aus. Erst letztens wieder ein gelungener Marmorkuchen ohne Ei im Glas. Die ersten Experimente von Pfannkuchen ohne Ei fanden nicht wirklich Begeisterung. Aber mit ein paar Tricks war eine Version doch akzeptiert worden. Nur Vollkornteig durfte dazu nicht mehr verwendet werden. Für mich war aus dieser Challenge also eine Dreifach-Challenge geworden 😉 Vielen Dank für all diese Erfahrungen in nur vier Wochen.

Weitere Challenges und Zukunftsaspekte

DSCN6771Generell habe ich bei allen folgenden Challenges aktiv mitgemacht und mich gespannt auf diese Umstellungen eingelassen. Einiges ist geblieben und an weiteren Erkenntnissen zur Umsetzung arbeite ich noch. Es ist ein Weg, der seine Zeit dauert. In nur einem Monat sind große Umstellungen nicht zu schaffen, aber das Wissen über Verbesserungsmöglichkeiten, die ersten erzielten Ergebnisse, die daraus resultierenden Erfahrungen und die Überzeugung, dass es der richtige Weg ist, sind eine sehr gute Grundlage für einen langfristigen Erfolg. Auch knöpfe ich mir Themen im Einzelnen noch einmal vor und integriere sie schleichend, aber sukzessiv im Alltag.

Der Nutzen aus vielen Veränderungen

Herausgekommen ist mehr Achtsamkeit für Handlungen, die in Haushalt und Küche anfallen. Ein Abarbeiten solcher unliebsamen Tätigkeiten gibt es fast nicht mehr. Irgendwie freue ich mich auf jeden einzelnen Prozess. Ich widme mich einem Thema bewusster und langsamer. Manche sind seltener anzutreffen oder finden nur für 15 -30 Minuten am Tag statt, wie zum Beispiel das Einkaufen.

Wenn es früher im Kopf nur tickerte: „schnell noch mal das Bad putzen und die Wäsche nicht vergessen“ oder „schnell, schnell zum Bäcker, zum Drogeriemarkt, Supermarkt, Biomarkt und zur Bank“ um nachher gemütlich bei einer Tasse Kaffee die Füße hoch zu legen, dann ist es heute nur der Bäcker und der Bioladen zu Fuss ums Eck. Morgen die Bank und der regionale Markt mit dem Rad. Die Aufteilung auf kleine entschleunigte Happen pro Tag sozusagen. Ach ja, und ganz selten sieht mich noch der Drogeriemarkt, der nur noch angefahren wird, wenn ich eh schon Getränke beim Getränkehändler mit dem Auto hole. Das Auto hat halt doch noch seine Berechtigung, wenn auch nur für seltene, dann große und schwere Einkäufe.

Aber was benötige ich eigentlich noch aus diesem Drogeriemarkt? Ich habe festgestellt: so gut wie nichts. In den Großpackungen wären da: Natron, Zitronensäurepulver und vielleicht noch Soda. Denn die Kernseife aus dem Bioladen reicht für so viele Dinge. Flüssigseife wurde abgeschafft, auch Putzmittel jeglicher Art. Der selbstgemachte Apfel- oder Orangenessig ist mein echter Liebling geworden. Vom Ansatz bis zum Einsatz ein Prozess mit Spaß. Speisestärke, Kartoffeln, Kastanien und Efeu haben einen hohen Stellenwert. Am Waschmittel arbeite ich gerade erneut. Was meine täglichen Dusch- und Haarwaschvorgänge angeht, hat sich einiges verändert. Geduscht wird entweder mit dem Roggenmehlshampoo oder Kernseife. Keine Haarspülung oder Essig-Rinse mehr! Und Haarewaschen muss ich anstatt täglich nur noch alle 3-4 Tage. Auch das fertige Deo ist auf meiner Einkaufsliste gestrichen und von einer Fünf-Minuten-DIY Variante abgelöst worden. Diese Menge hält und reicht für Monate. (Der Rest der Familie ist in Punkto Duschgel und Deo einfach noch nicht zu überzeugen, aber steter Tropfen höhlt den Stein 😉 ).

Bei so viel nicht gekaufter Fertigprodukte lässt sich automatisch viel Geld sparen, das in Bioprodukte investiert wird. Die Zeitersparnis der Extraeinkäufe geht in die Herstellung der erfüllenderen DIY-Varianten.

Tasse 2015Doch was ist eigentlich aus der Tasse Kaffee mit den hochgelegten Füßen geworden? Nichts! Denn durch die Entschleunigung benötige ich diese Art der Entspannung nicht mehr. Die Zeit dafür muss ich mir nicht mehr mühsam „erhetzen“. (Irgendwie erinnert mich das immer an Momo, von Michael Ende). Gelegentlich gibt es diese Kaffeepause doch noch, wie gerade eben für ein Foto ;-).

Wie ich hier schon öfters in Beiträgen schrieb, mein Leben hat sich gewandelt. Von dem „Schnell schnell“-Gedanken hin zum „ach, machen wir heute mal wieder DIY für den Alltag zum Entspannen“. Und das meine ich auch so. Es ist wie Kochen oder Malen. Kreativ und erfüllend. Jeder dieser einzelnen Tätigkeiten macht Sinn und entlockt mir oft ein Schmunzeln wie ich es im Beitrag Bewusst mit plastikfreien Alternativen beschrieben habe.

Es macht einfach zufrieden zu wissen, dass:

  1. die Industrie mit ihren Fertigprodukten, die doch immer irgendeine unschöne und ungesunde Zutat enthalten, von mir keinen Cent mehr sieht.
  2. der Plastik- und Verpackungsmüll enorm dezimiert wurde.
  3. sich meine Haut nach dem Putzen nicht beschwert, denn Putzhandschuhe habe ich eh noch nie verwendet.
  4. ich mit jedem Einkauf Zeit einspare, denn ich stehe nicht mehr vor den überquellenden Regalen und suche nach den neuesten Kreationen der Konsumgesellschaft, nach dem billigsten Produkt oder nach den kleingeduckten Inhaltsangaben. Angaben, die jetzt noch kleiner aufgedruckt werden dürfen, sodass ich sie ohne Lesehilfe gar nicht mehr entziffern kann. Da ich aber sonst keine Brille benötige, habe ich natürlich auch keine. Man ist ja minimalistisch unterwegs ;-).
  5. ich Reste wie Karotten- und Radieschengrün, Kernhäuser von Äpfeln, Schalen von Zitrusfrüchten, Papaya- und Avocadokerne nicht einfach auf den Kompost werfe, sondern sie nutze.
  6. ich generell die Zeit fürs Kochen, Einkaufen und für DIY-Produkte mehr genieße. Ich gehe alles viel langsamer und bewusster an. Koche in größeren Portionen, die nicht mehr im Tiefkühlschrank sondern in der Gläschenwirtschaft landen. Ich nehme jeden einzelnen Schritt intensiver wahr. Sei es Gerüche, die Wärme der Sonnenstrahlen auf meiner Haut, Geräusche wie Bienensummen oder die entfernte Straßenbahn und natürlich auch die Ruhe zum Schnippeln. Warum das so ist, ist mir eigentlich ein Rätsel. Es kam einfach so und entschleunigte.

Schnelllebige Gesellschaft

Jetzt hab ich über diesen letzten Punkt der Entschleunigung noch einmal nachgedacht. Es ist doch der wesentlichste Aspekt.

von Ulfbastel, [Public domain], via Wikimedia Commons

Warum nehmen wir uns diese Zeit nicht mehr? Warum hetzen wir von einem zum anderen Termin? In Gesprächen der letzten Jahre kam heraus, dass jeder dieses Gefühl kennt. Der eine mehr, der andere weniger. Man hetzt nicht wirklich, aber innerlich fühlt man eine innere Unruhe, die uns kontinuierlich antreibt.

Unzählige To-Dos, Perfektionismus, Stress und überzogener Konsum aufgrund von Zeitmangel. Man packt immer mehr in die zur Verfügung stehende Zeit, meint über ein optimales Zeitmanagement zu verfügen, weil man so viele Dinge an einem Tag geschafft hat. Und immer noch bleiben viele Sachen ungeschehen, die nicht die oberste Priorität haben. Sie fallen hinten runter und werden verschoben. Dabei sind es oft diese, die uns mehr Erfüllung und Spaß bereiten.

Gerade beruflich wird man gefordert. Von oben oder von sich aus: „das muss!“, „das geht schon noch“, denn man ist ja leistungsfähig, oder fähiger als andere. Indirekt steckt da wohl auch der Vergleich zur perfekt funktionierenden Maschine dahinter. Die unterschwellige Angst, man könnte ja ausgetauscht werden, gegen eine Maschine, den Kollegen oder eine billigere Arbeitskraft. Ein Kreislauf, der auf lange Zeit Kräfte bindet und kostet.

Auch privat existiert diese Vergleichsmentalität. Ich kann mir dies und jenes leisten, so nach dem Motto des Spuchs „mein Haus, mein Auto, mein letzter Urlaub… mein neustes Handy“. Irgendeinem Trend folgt man doch immer, oder? Man will ja up-to-date sein und mitreden können. Oder braucht dringend einen relaxenden Luxusurlaub, weil der Job bzw. der Alltag so fordert.

Um sich all diese immer wieder neuen trendunterliegenden Standards erfüllen zu können, gewinnt der Job und das Geld immer mehr an Bedeutung. Immer mehr Zeit geht dafür verloren und der Burn-out ist schon lange ein gesellschaftsfähiger Normalzustand geworden.

Positive Erlebnisse auch im Kleinen zu sehen oder die Erfüllung in einem langsameren, unvermeidlichen Vorgang ohne Konsum zu entdecken, ist eine gewaltige Umstellung, die nicht von heute auf morgen stattfindet. Sich aus diesem eingeschlichenen Alltag und lange gepflegten Gedankenmustern auszuklinken, ist oft schwierig und unvorstellbar. Sich diesem Ansatz für nur vier Wochen auf einem Gebiet der Nachhaltigkeit zu stellen und es anders nämlich langsamer, aufmerksamer und genussvoller anzugehen, ist eine Challenge, die es in mehrfacher Weise wert ist. Für Natur, Gesundheit und Zufriedenheit mit einer neue Lebensweise.

Ich danke euch für die Unterstützung, eure lesenswerten Beiträge, die abgesteckten Themen, die weiterführenden Anregungen und natürlich auch die praktischen Tipps der letzten 19 Monate.

In diesem Sinne auf weitere befruchtende und interessante Monate…

Grüße Claudia

 

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Weitere Infos und jede Menge Interaktion findet Ihr auch auf der Facebookseite “Finding Sustainia“, über Twitter unter @Finding_S und über den Blog der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome


14 Antworten zu “19 Monate Finding Sustainia – Claudias Rückblick”

  1. Liebe Claudia, auch von mir ein grosses Dankeschön! Ich bin ganz gerührt von dem, was du berichtest! So ein Glück, dass wir so viel voneinander lernen können!
    Viele Grüße,
    Santa

  2. Liebe Claudia,

    wir fühlen uns sehr geschmeichelt! Und mal wieder wunderbar bestätigt in unserem Tun.
    TAUSEND DANK!
    Es freut uns so, so sehr, dass es dir so gut geht mit all den Wahnsinns-Veränderungen, die du beschreibst. Du hast die Sache aber auch wirklich par excellence durchgezogen. Toll, dass du deine Geschichte mit uns allen teilst.
    Und vielleicht brauchen wir wirklich nochmal so eine ganz explizite Entschleunigungs-Challenge.

    Besonders hat mir deine Beobachtung gefallen, dass du keine großen Pausen mehr brauchst.

    Ach, ich könnte so viel schreiben, aber eigentlich hast du alles gesagt. Danke auch für all deine fundierten Beiträge für Finding Sustainia. Auch du hast einen großen Anteil an unserem Erfolg.

    Herzliche Grüße
    Anna

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