Zuckerfasten: Ein ungewöhnlicher „Drogenentzug“ – Philipps Erfahrungsbericht


Wie mich ein ungewöhnlicher Drogenentzug wieder auf den Geschmack gebracht hat

Ich esse gern. Und viel. Und ich bin ein Süßer.

Das ist auch gut so, denn ich habe Probleme, kein Gewicht zu verlieren. Ein äußerst ineffizienter Metabolismus macht es möglich – sehr zum Leidwesen meines Geldbeutels und aller, die mit gegenteiligen Problemen kämpfen. Trotzdem hatte ich es nach Dezember und Januar satt. Mein Körper signalisierte mir, dass er zu viel Zucker bekam. Das war eher ein Bauchgefühl, doch wenn ich darauf achtete, empfand ich dieses als bestätigt. Kurzerhand beschloss ich, im Februar auf Zusatzzucker zu verzichten und auf meinem Blog darüber zu berichten. Die Quintessenz bekommst du hier.

Zuckerberg

Mancher Leser mag jetzt vielleicht denken, dass Zucker doch gar keine Droge sei. Das halte ich für diskussionswürdig. Die meisten Raucher schwören auch, sie könnten jederzeit aufhören. Sie tun es aber nicht. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, etwas unternehmen zu müssen.

Es war auch gar nicht meine erste Fastenaktion. Dass ich längere Zeit ohne Süßkram auskommen kann, wusste ich bereits aus meinen Jugendjahren. Nun ist “Süßes” ja ein recht weites Feld und ich hatte bereits einen recht großen Erfahrungsschatz vorzuweisen. Deshalb hatte ich mich dieses Mal bewusst auf Zusatzzucker beschränkt, sprich natürliche Süße (Früchte) und Kohlenhydrate (etwa in Brot und Pasta) waren erlaubt. Alles, was von Menschenhand süßgemacht wurde, nicht. Innerhalb der vier Wochen habe ich aber eben nicht nur verzichtet, sondern mich auch mit besonderem Schwerpunkt auf Zucker mit meiner Ernährung auseinandergesetzt.

kekse

Was macht Zucker mit unserem Körper?

Versteht mich nicht falsch, ich liebe Kuchen, Kekse, Schokolade und all die anderen Annehmlichkeiten, die sich in unserer Kultur mit Hilfe von Zucker entwickelt haben. Und ich bin mir auch dessen bewusst, dass Zucker elementarer Energielieferant ist. Deshalb habe ich mich auch auf Zusatzzucker beschränkt. Denn ganz ohne geht es im Leben nicht.

Nicht ohne Grund springt unser Körper auf süßen Geschmack mit erhöhter Speichelproduktion und gesteigertem Appetit an: Von Natur aus assoziiert er süßen Geschmack mit Energie. Als Menschen noch von Säbelzahntigern gejagt wurden, war diese Reaktion essentiell, um zu überleben und notfalls längere Phasen ohne Nahrungsaufnahme überstehen zu können. Bei süßem Geschmack wollen wir weiter essen, bis der Körper signalisiert, dass es genug ist. Das geschieht aber erst, wenn wir uns daran überessen haben. Kommt dir das von der letzten Pralinenschachtel bekannt vor?

Industrie und Gegenindustrie

Wie so oft wird ein Kulturgut im Laufe der Zeit monetarisiert und industrialisiert. So auch bei Süßwaren. Historisch gesehen gibt es hier ebenso wie in allen anderen kulinarischen Bereichen eine große Vielfalt mit unzähligen regionalen Unterschieden. Zumindest war das mal so. Heute gibt es viele Süßwaren weltweit. Sogar in der Wüste kann man Snickers kaufen. Da spreche ich aus Erfahrung.

Dank der Massentauglichkeit von Süßigkeiten, industrieller Herstellung und ständiger Verfügbarkeit folgte auch rasch Massenkonsum. Laut den Zuckerverbänden liegt der weltweite Zuckerverbrauch jährlich bei 175.831.000 Tonnen Zucker – Tendenz steigend. Bei 7,2 Milliarden Menschen, die weltweit ungefähr leben, ergibt das einen durchschnittlichen Jahresverbrauch von 24kg pro Mensch. In Deutschland sind es sogar 35kg pro Kopf. Jetzt stelle man sich das mal in Zuckerpaketen vor. Praktischer Weise haben die je 1kg. Kaum vorstellbar, oder?

Nachdem sich mein Körper übersättigt gefühlt hatte, achtete ich zunächst verstärkt darauf, wie viel zuckerhaltige Lebensmittel ich tatsächlich zu mir nehme. Dementsprechend halte ich mich ehrlich gesagt sogar für einen überdurchschnittlichen Zuckerkonsumenten. Und offensichtlich geht es mir damit nicht allein so: Bei den meisten Menschen zeigt es sich nur stärker in der Figur als bei mir. Über die Jahre hat Zucker dabei einen echt schlechten Ruf bekommen. Diätprogramme wurden geschaffen, Fitnessstudios eröffneten reihenweise und Rufe nach mehr gesunder Ernährung wurden laut.

Das ist verständlicher Weise ärgerlich für die Zuckerindustrie. Allerdings sind wir alle nach wie vor geil auf Süßes, was die nächste Industrie auf den Plan rief, nämlich die für Süßungsmittel.

Zuckerersatz

Es muss ja schließlich nicht immer Zucker sein, der süßt. Neben Ahornsirup, Agavendicksaft und Honig, die quasi auch Zucker sind, gibt es auch noch andere chemische Stoffe, die süßen. Industriell werden sehr gern Aspartam (E951e) und Acesulfam-K (E950) verwendet. Während sie von offizieller Seite (also von der EU)  als ungefährlich eingestuft werden, frage ich mich, wer eigentlich längerfristige Wirkungen chemischer Stoffe untersucht. Denn wie so oft, macht die Dosis das Gift. In der Datenbank für Zusatzstoffe bin ich fündig geworden. Der ADI-Wert gibt den Grenzwert pro Tag an und berücksichtigt den Langzeiteffekt eines Menschenlebens. In der Datenbank steht für Aspartam ein Tagesgrenzwert von 40 mg / Körpergewicht, und für Acesulfam-K 9 mg / Körpergewicht. Das hört sich viel an. Bedenkt man aber, dass in vielen Fertigprodukten diese Stoffe hineingemischt werden, dann könnte man bei vielen ungesunden Vorlieben den Tageswert vielleicht doch überschreiten. Ich persönlich ziehe den Verzicht auf solche Stoffe vor.

Abgesehen davon gibt es aber auch noch natürliche Süßungsalternativen. Seit ein paar Jahren erfreut sich Stevia größerer Beliebtheit. Auch Süßholz kann ich persönlich als Nascherei zwischendurch empfehlen.

Alle genannten Alternativen haben aber eins gemein: Die Süße schmeckt nicht wie die von Zucker.

Des Problems Lösung?

Aus der Misere gibt es zum Glück ein Entkommen. Für mich hat meine Fastenaktion viel Klarheit gebracht.

Komplett auf Zusatzzucker zu verzichten, mag zunächst als drastischer Schritt erscheinen. Allerdings gibt es ja noch so viele andere leckere Sachen. Einerseits esse ich selbst auch sehr gern herzhaft. Und wenn ich Appetit auf etwas Süßes hatte, aß ich schlichtweg Obst. Auf diese Weise hat sich mein Obstkonsum natürlich vervielfacht. Abgesehen davon konnte ich aber auch noch andere Dinge beobachten.

erdbeere

So hatte ich viel mehr mir bis dato unbekannte Lebensmittel probiert, weil ich ja auf meine gewohnten verzichtete. Außerdem aß ich bewusster. Zum Einen legte ich meinen Fokus auf die Tätigkeit Essen. Zum Anderen hatte das zur Folge, dass mir die einzelnen Geschmäcker der verschiedenen Zutaten viel bewusster waren.

Und irgendwie war mein Leben auch entspannter. Da ich insgesamt weniger Zucker aß, war ich weniger aufgeputscht. Wenn mein Körper also müde war, schlief er einfach. Und das auch reichlich. Ich glaube, in den vergangenen zehn Jahren nie am Stück so viel geschlafen zu haben. Viel Schlaf soll ja schöner machen. Bei mir scheint es funktioniert zu haben, denn mir wurde von anderen eine reinere Haut im Gesicht bestätigt. Mir selbst war das vorher gar nicht aufgefallen.

Im Nachhinein betrachtet, spiegelte sich aber auch dort mein Inneres im Äußeren wieder, denn ich war während dieser Zeit nicht nur äußerst gelassen, sondern auch zufrieden. Ich war nicht immerzu auf der Suche nach der nächsten Geschmacksexplosion. Sonne brachte mir die gleiche Freude wie sonst ein Schokokeks.

Wo liegt die Zukunft des Zuckers für mich?

Nach den tollen Ergebnissen, liegt der Verdacht ja schon nahe, dass das Fasten letztlich gar kein Verzicht war, sondern vielmehr ein Gewinn. Und tatsächlich habe ich persönlich durch das Fasten ungeheuer viele Erkenntnisse gewonnen. Doch wie mache ich nun weiter?

Meine Erkenntnisse über die Wirkung von Zucker an mir, geben mir tatsächlich zu denken. Verzichte ich deshalb künftig komplett darauf?

Nein.

Aber ich bin neu kalibiriert. Und damit versuche ich, meinen Zuckerkonsum nachhaltig auf einem gesunden Niveau einzupegeln.

Wie ergeht es dir im Umgang mit Zucker? Isst du zu viel oder kannst du gar nicht genug bekommen? Lass es uns wissen!

Alles Liebe,
Philipp

 

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Weitere Infos und jede Menge Interaktion findet Ihr auch auf der Facebookseite “Finding Sustainia“, über Twitter unter @Finding_S und über den Blog der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome.

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23 Antworten zu “Zuckerfasten: Ein ungewöhnlicher „Drogenentzug“ – Philipps Erfahrungsbericht”

  1. P.S. Eigentlich ist Salz auch so was. zwar nicht so dass man immer mehr Salz braucht, aber ungesalzenes Essen schmeckt dann irgendwie langweilig. Und gesund ist so viel Salz auch nicht. Bei ungesundem Essen ist ja auch immer genug davon drin und macht nur durstig.

      • 🙂 Stimmt aber, das Salz bindet doch auch wieder einen Teil vom aufgenommenen Wasser, oder?
        Grüße Claudia

  2. Hallo Philipp!

    Schön auch hier von Dir zu lesen!

    Ich habe in den letzten Monaten auch sehr bewusst Zucker reduziert (hast Du ja eh bei mir schon gelesen) und ich fühle mich sehr wohl damit.

    Eine interessante Erfahrung möchte ich Dir auf den Weg geben: Nachdem ich nicht auf 0 Zuckerzusatz reduziert habe, sondern eben nur deutlich weniger konnte ich die Wirkung von Zucker sehr gut feststellen. Wenn ich Tage ganz ohne Zucker hatte, war meine Lust auf Zucker wenig bis nicht vorhanden.

    Habe ich aber etwas Zucker zu mir genommen hat mein Körper ganz laut zu schreien angefangen, dass er mehr will. Also zu Mittag etwas Zucker führte zu ganz viel Lust auf Süßkram den restlichen Tag und vor allem am Abend.

    Es war total viel Disziplin erforderlich, dem nicht nachzugeben.

    Während an Tagen, wo ich zu Mittag keinen Zucker zu mir nahm, war das den restlichen Tag auch kein Thema.

    Schon sehr spannend, oder?

    lg
    Maria

    • Hallo Maria,

      das ist wirklich sehr interessant! Und es zeigt noch einmal sehr deutlich, was Zucker mit uns macht!

      Ich befinde mich da ja auch immer in einem Zwiespalt, denn ich esse Kuchen und Kekse ja ebenso gern wie Obst! Da hilft mir zumindest die Devise „Selbst gemacht schmeckt besser und ist gesünder“. Dann bestimmt man nämlich den Zuckergehalt in der Torte selbst.

      Lieber Gruß,
      Philipp

    • Hallo Maria,
      kann mir das gut vorstellen. Ist ja schon bei ner Tafel Schokolade schwer wieder aufzuhören nach einem Stück. Das liegt sicher nicht an dem einen Stück das zu wenig ist.

      Grüße Claudia

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